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Aqua

Aqua

Titel: Aqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martini
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setzte sich unten in regelmäßigen Abständen fort. Sie öffnete das hohe Fenster einen Spalt. Unten erkannte sie einen der Arbeiter von vorhin, der einen Sandsack trug und damit, wie ihr das dumpfe Aufschlagen verriet, die Haustür verbarrikadierte. Gäbe es jetzt nicht diesen Ausweg, würde sie in Panik geraten. Wieder versuchte sie sich an das historische Foto mit der überschwemmten Straße zu erinnern. Hatte der Kahn nicht sogar am zweiten Stock angelegt? Sie ließ die Fenstertür einen Spalt offen, als sie in die Wohnung zurückkehrte. Wo war der Karton mit den Familienfotos, die sie immer schon in ein Album kleben wollte? Stand dieser noch im Keller zwischen den Kartons mit dem alten Küchenkram, den sie schon längst hätte wegwerfen sollen?
    Sollte sie Leo anrufen und die Koffer packen? Sie steckte das Telefon in die Tasche ihrer Weste. Ihre Fingerspitzen stießen an etwas in der Größe eines Kassenbons oder Parkscheins, das von der Papierstärke aber zu fest dafür war. Als sie es herauszog, kam die Visitenkarte zum Vorschein, die sie vor dem Zurückhängen in den Schrank aus der Jacke ihres Hosenanzugs genommen und noch nicht in den Müll geworfen hatte. Sie überlegte, während sie die kleine Taschenlampe aus ihrer Handtasche nahm, ob sie sonst noch jemanden mit dem Vornamen Waldemar, wie dieser Polizist hieß, kannte. Im Kreis der Bekannten und Freunde gab es keinen. Auch bei den Mandanten war dieser Name ihres Wissens nicht dabei. Vera zog den Kellerschlüssel vom Brett hinter der Tür. Auf dem Weg über die Treppe nach unten hatte sie wieder die alte Schwarz-Weiß-Aufnahme der Menschen vor Augen, die stumm aus den Fenstern dem Boot entgegenblickten. An der Haustür fiel kein Licht mehr durch das kleine Milchglas in Kopfhöhe. Auch unten war der Kellergang stockdunkel. Die schmalen Fenster in den Kellerschächten waren anscheinend ebenfalls durch Sandsäcke gesichert worden.
    Hinter der Stahltür schlug ihr der modrige Geruch entgegen, nach dem die Kisten rochen, die sie gestern Abend zusammen mit Leo nach oben in Sicherheit gebracht hatte. Die Neonlampe an der Decke blieb dunkel. In dem dürftigen Licht, das hinter ihr durch die Tür vom Treppenhaus fiel, tastete sie sich durch den schmalen Gang an den vier Türen entlang, von denen die ersten beiden in den Heizungsraum und die Waschküche führten. Dahinter wurde es noch enger durch die Kisten und kleinen Aktenschränke, die gestern stehen geblieben waren. Die Leute von der Beratungsstelle hatten sie wohl nicht mehr in den Kombi bekommen, mit dem sie ihr Inventar in Sicherheit gebracht hatten. Nun musste sie sich an dem Kram vorbeizwängen.
    Auch die nach außen schwingende Tür zu ihrem Keller ließ sich nur einen Spalt breit öffnen, weil sie gegen einen hüfthohen Aktenschrank stieß, auf dem sich Kartons stapelten.
    Vom Café bis zum Bahnhof waren es nur wenige Schritte. Doch der Taxistand war verwaist. Hansen fand auch bald den Grund dafür: ZUGVERKEHR VORÜBERGEHEND EINGESTELLT war auf den Türen zur Bahnhofshalle zu lesen.
    Nebenan am Busbahnhof herrschte dagegen reger Verkehr. Hansen wusste nicht, ob von hier aus ein Bus dahin fuhr, wohin er wollte, und wenn, welche Linie er nehmen musste.
    Während er beobachtete, wie sich zwei voll besetzte Busse mit der Aufschrift SONDERFAHRT hinter denen an den Haltestellenbuchten einfädelten, musste das schwarze Taxi angekommen sein, das nun inmitten der Taxispur stand. Als er endlich dorthin kam und sich unter großer Mühe zum Fenster hinunterbeugte, stellte er fest, dass niemand im Fahrzeug saß.
    Eine blonde Frau mittleren Alters kam mit schnellen Schritten aus dem Bahnhof, eine Zeitung unter dem Arm und einen Becher in der Hand.
    »Sind Sie frei?«, fragte Hansen, als die Frau an ihm vorbei zum Wagen ging.
    »Kommt darauf an?«, lächelte sie, und als er sie fragend ansah, ergänzte sie: »Wollen Sie mich heiraten oder das Taxi mieten?«
    »Erst mal das zweite«, antwortete Hansen und wunderte sich über sich selbst, als er sich so reden hörte, während er neben der Frau im Wagen Platz nahm. »Vor der Hochzeit sollten wir uns vielleicht erst noch ein wenig besser kennen lernen.«
    Auch das Fahrtziel Schwesterklinik war ihm spontan eingefallen und erfüllte ihn mit Genugtuung.
    »Darf ich fragen, welche Beschwerden du hast?« Für einen Besucher hielt sie ihn also nicht.
    »Eine Männersache«, antwortete er knapp.
    Am Straßenrand setzte ein Mann einen großen Koffer ab, mit dem er sich abmühte.

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