Aqua
denn mit Frau Helmes geschehen? Ich wollte ihr wirklich nur einen Schrecken …«
»Und Thomas Bröding wollten Sie auch nur einen Schrecken einjagen?«
Hansen schüttete beim Einschenken etwas Wasser neben sein Glas. »Damit habe ich nichts zu tun!«
»Ach ja, wieder solange, bis wir eine Spur oder einen Zeugen gefunden haben?«
»Sie werden weder das eine noch das andere finden. Weil ich es nicht war.«
»Sie sind vorläufig festgenommen.«
»Ich möchte einen Anwalt sprechen … und einen Arzt. Sie können mich hier nicht so einfach wegbringen.«
Vorhin hatten die Monteure noch an den Stützen geschraubt. Nun war der Hochwassersteg fertig, über den Burkhard und Walde das Krankenhaus verließen. Mitten im Kreisverkehr vor der Klinik stand Fürst an der am tiefsten überschwemmten Stelle. Das Wasser reichte ihm bis zum Schaft seiner Stiefel. Die Kamerafrau filmte ihn, während er mit betroffener Miene ins Mikrofon sprach. Walde hatte einen Tick zu lange hingesehen. Fürst wandte den Blick zum Notsteg und wies mit einer Handbewegung die Kollegin an, dorthin zu schwenken.
»Herr Bock, Herr Decker!«
Walde beschleunigte seine Schritte. Das hätte ihm noch gefehlt, in diesem lächerlichen Aufzug gefilmt zu werden.
»Könnten wir eine kurze Stellungnahme …«, rief nun die Kamerafrau. Walde und Burkhard gingen weiter, ohne sich umzublicken.
Walde konnte es noch immer nicht glauben, dass er gerade das Spiel mit sieben Trümpfen, Ass und Zehn und nur einer Lusche verloren hatte. Auf ein Kontra hätte er Re gegeben, aber Uwe Schäfer, dem Nachbarn von oben, hatten seine vier Trumpfkarten nicht genug Mut dazu gegeben. Es war, wie seine Frau sagte, das erste Mal seit Jahren, dass ihr Mann, von Arztterminen abgesehen, freiwillig seine Wohnung verlassen hatte. Nun saß er, zusammen mit Jo und Walde, im Schein von drei doppelarmigen Kerzenleuchtern und dem Feuer im Kaminofen unten im Haus am Esstisch. In der zweiten Flasche Wein war nur noch ein kleiner Rest. Doris, Marie und die Kinder übernachteten oben.
»Hättest du besser gleich mal deine Trümpfe gezogen.« Wie immer konnte sich Jo eine bissige Bemerkung nicht verkneifen.
»Hab’ ich doch, aber mir haben die hohen Buben gefehlt.«
»Dann wäre es ja auch ein Grand gewesen.« Jo schenkte sich den Rest Wein ins Glas. Für einen Moment war nur das Gedudel aus dem Transistorradio zu hören. Während er gründlich die Karten mischte, summte Uwe Schäfer den als Hit der Siebziger angekündigten Song, den Walde schon damals als absolute Zumutung empfunden hatte. Im Grunde genommen war es nach der Hetzkampagne der letzten Tage zu viel verlangt, dass er in seiner eigenen Wohnung Tele Mosel hören musste.
»Ich seh’ mal kurz nach den Kindern.« Walde stand auf und legte auf dem Weg zur Tür im Ofen zwei Holzscheite nach. Er wollte sich seinen Ärger nicht anmerken lassen.
Im Treppenhaus leuchteten die außen am Geländer festgebundenen gelben Lampions, deren kleine Solarakkus sich tagsüber auf der Terrasse aufgeladen hatten. Walde stellte den Kerzenleuchter auf den Fliesen im Hausflur ab und stieg leise hinauf. Auf jedem Treppenabsatz blieb er lauschend stehen. Bis auf die gedämpften Stimmen und das Radiogedudel von unten war es still im Haus. Als er seine Uhr dicht an einen der helleren Lampions hielt, erkannte er, dass es auf Mitternacht zuging.
Wieder unten im Flur nahm er den Leuchter hoch und schloss leise die Haustür auf. Die Kerzen flackerten. Draußen stand das Wasser nun bis zu den Sandsäcken. Das Dunkel war gespenstisch. Nicht einmal eine Warnleuchte brannte am gegenüberliegenden Hubschrauberlandeturm.
Im Bad der Wohnung standen gefüllte Eimer und Gießkannen, falls auch die Wasserwerke nicht mehr liefern konnten. Jo und Uwe Schäfer waren über die historische Karte gebeugt, während im Radio die Lokalnachrichten liefen. Die Kerzenständer hatten sie so platziert, dass die verschiedenfarbigen Linien gut zu erkennen waren.
»Das Wasser steht an der Haustür bis zu den …«
»Moment!« Jo legte den Zeigefinger über seine Lippen und wies zum Radio.
»… mit einem weiteren stündlichen Anstieg von fünf Zentimetern. Die Scheitelwelle wird laut Hochwassermeldezentrale in Trier morgen Früh gegen sieben Uhr erwartet. In Bernkastel-Kues muss man sich noch ein paar Stunden länger gedulden …«
»Das wären noch fünfunddreißig Zentimeter«, rechnete Jo aus. »Wie hoch sind die Stufen vor der Haustür bis hoch zum Flur?«
»Nicht mehr als
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