Aqua
weiter«, rief Lis, bevor sie hinter einer mannshohen, mit Brettern eingezäunten Koppel verschwand.
»Mist«, Walde war in etwas getreten, das weich unter seinem Schuh nachgab. Auf dem Stroh im Stallgang versuchte er den Schuh von dem Anhängsel zu befreien. Auf den Türen zu den Boxen standen Namen. Diejenige mit Gordons Namen war leer.
Burkhard schaltete den Scheibenwischer an der Heckscheibe des Wagens ein, bevor er ihn rückwärts aus dem Parkplatz fuhr. »Ist dir bewusst, welche gewaltigen Kräfte das Wasser der Mosel entwickelt hat? Sollte da wirklich was von der Brücke geworfen worden sein, ist es sicher schon weit weggeschwemmt worden.«
»Engels schien dennoch nachdenklich geworden zu sein.« Walde rüttelte mit der Munitionsschachtel, bevor er die Munition in seiner Jackentasche verstaute, während Burkhard den Wagen beschleunigte. »Seitdem er die Waffe samt Munition im Dezember gekauft hat, soll das Bolzenschussgerät nicht mehr benutzt worden sein.«
»Und warum rappelt es in der Schachtel?«, bemerkte Burkhard. »Fehlt da nicht was?«
»Ich denke schon.« Walde zeigte auf das Auto, das in der Garageneinfahrt am Haus der Brödings stand. Es war der kleine Allrad von Katja Bröding. »Der war vorhin noch nicht da.«
»Wir sind spät dran.« Burkhard schien zu ahnen, dass Walde mit ihr sprechen wollte.
»Okay.« Walde nahm wieder seine Hand vom Halter des Sicherheitsgurts und geriet ins Grübeln. Er hätte sich bei Reuther vergewissern sollen, wen er mit dem Mann meinte, den er aus der Zeitung kannte. Er seufzte leise. Wie konnte er sich nur von dem Gefühl leiten lassen, dass die Beschreibung auf Holtzer zutraf. Es lag wohl daran, dass er Holtzer ebenso wenig mochte, wie es der Zeuge tat. Er schüttelte insgeheim über sich selbst den Kopf.
»Sollen wir runter zur Uferstraße«, fragte Burkhard, als sie über die Konrad-Adenauer-Brücke fuhren, die als einzige noch befahrbar war. Von rechts schossen die brodelnden Wassermassen auf die Brücke zu, die sie schon fast überquert hatten. Die Mauer der Staustufe weiter flussaufwärts war bereits von den Fluten überspült.
»Hier müsste die Straße wohl noch frei sein«, sagte Walde, nachdem er nach rechts hinunter auf die Uferstraße geschaut hatte und die Sperrung ignorierte.
Von hier aus gelangten sie in einer weiten Kurve über den Zubringer auf die vierspurige Uferstraße zwischen Fluss und Stadt. Entgegenkommenden Verkehr gab es keinen und in die gleiche Richtung war nur ein Unimog mit Sandsäcken auf der Pritsche unterwegs.
Zuerst war es nur ein dünner Film, der die Straße bedeckte. Burkhard nahm den Fuß vom Gas. Wie aus einer überlaufenden Badewanne suchte sich das Wasser der Mosel einen Weg zwischen den Stäben des Geländers auf den Radweg, über die zwei Spuren der Straße bis zum Grünstreifen auf ihrer Seite. Rechts neben ihnen traf es auf ein lang gezogenes Gebäude und strömte an der Hauswand entlang zum Hof. Hier hatte es bereits durch den kleinen Stau verursachten Anstieg an Geschwindigkeit zugenommen und schoss über das Pflaster, prallte auf Müll- und Papiertonnen, die es gegen eine Mauer schleuderte, und bahnte sich weiter seinen Weg.
»Wie kommen wir hier wieder raus?« Burkhard wechselte die Fahrspur, um einem liegen gebliebenen Lkw auszuweichen. Walde ließ die Scheibe in der Tür herunter und beugte sich hinaus. Das Wasser erreichte bereits die Türen. »Wir sollten zurückfahren.«
»Ich kann doch hier nicht wenden!«
»Uns bleibt nichts anderes übrig.«
Er schaltete das Martinshorn ein. Der Bordstein zum Mittelstreifen war höher als erwartet. Burkhard schien zu befürchten, dort stecken zu bleiben. Anders konnte Walde es sich nicht erklären, warum sein Kollege den Wagen so hart auf der anderen Straßenseite aufsetzte. Dabei murrte er: »Hättest du das nicht gleich sagen können, du bist doch von hier.«
»So hoch war die Mosel noch nie, jedenfalls habe ich so was noch nicht erlebt.«
Die übermächtige Brandung rollte immer wieder über Hansens winziges Boot. Trotzdem blieb es über Wasser. Er mühte sich, das kleine Segel einzuholen, das vom Sturm gegen seinen Arm geschleudert wurde. Schwer atmend öffnete er die Augen. Der Mann vor seinem Bett kam ihm bekannt vor. Hansen versuchte wieder einzuschlafen.
»Herr Hansen, wachen Sie auf!« Der Ton klang nicht so freundlich, wie er es bisher vom Krankenhauspersonal gewohnt war, zu dessen professioneller Rücksichtnahme zudem der Bonus des Lebensretters
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