Aqualove
ich Sonntage deswegen gehasst, aber heute schien es meine Spannung nur noch zu erhöhen. Das Wetter war brillant, und ich freute mich auf Stunden an der frischen Luft. Bei Ethan. Mit ihm.
Heute standen vor Ethans Haustür zahlreiche Wagen im weißen Kies. Sie waren alle kreuz und quer geparkt, was das Anwesen diesmal weniger streng wirken ließ. Felix und ich stiegen aus und durchquerten die Eingangshalle. Schon beim Öffnen der Tür hatte ich mit Geräuschen, mit Musik, Lachen oder Konversationsfetzen gerechnet. Tatsächlich war es still. Nicht nur leise, sondern geradezu lautlos, obwohl die Türen am Ende des Raumes offen standen. Unsere knirschenden Schritte waren die einzigen Geräusche, die die Stille durchbrachen. Wir traten auf die Terrasse ins helle Sonnenlicht hinaus.
Ich sah nach links und nach rechts, aber ich konnte niemanden sehen. War ich der erste Gast? Hatte Ethan wieder einmal plötzlich abreisen müssen? Ich merkte, wie etwas in meinem Bauch sich schmerzhaft zusammenzog. Nervös strich ich mir das noch feuchte Haar aus der Stirn. Fragend und fahrig sah ich zu Felix hinüber. Der schien ganz gelassen und zeigte auf den riesigen Pool, dessen Blaugrün heute strahlender denn je in das Blau des Mirror Lake überging.
„Sie sind im Pool.“
Ich machte einige Schritte bis zum Rand und sah nach unten. Was ich da sah, verschlug mir den Atem. Ich ging in die Knie und beugte mich noch weiter über den Rand. Meine Hände griffen nach der Kante, als ich mich ganz auf meine Knie niederließ. Ich merkte, wie meine Gedanken sich überschlugen. Das konnte nicht sein. Immer noch durchbrach kein Laut die Stille.
In der Tiefe des Wassers sah ich einige Körper, die mit unglaublicher Geschwindigkeit Kreise und Wendungen vollzogen. Nur ab und zu konnte ich ein Bein oder einen Arm in dem Strudel der blitzschnellen Bewegungen ausmachen. Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte geglaubt, einen Schwarm Fische im offenen Meer beim freien Spiel zu beobachten. Die Körper im Wasser schienen perfekt synchronisiert zu sein. Das Zu- und Auseinanderdriften wirkte wie seit Ewigkeiten einstudiert, fast als gäbe es eine Art Kommunikation zwischen den einzelnen Schwimmern. In der Tiefe konnte ich manchmal nur noch glitzernde, herumwirbelnde Luftperlen erkennen. Es war ein fantastisches Schauspiel. Und es war gleichzeitig absolut unmöglich.
Im Zentrum der Körper schien es einen festen Punkt zu geben. Eine Mitte, um die sich alles bewegte. War es das Sonnenlicht, das alles so erleuchtete? Einer hatte sich aus dem Schwarm gelöst und strebte auf das dunklere Zentrum am Boden zu. Ich blinzelte, weil mich das Strahlen aus dem Wasser blendete. Da. Ein Zucken ging durch den Schwarm wie ein elektrischer Schlag. Der dunklere Fleck rührte sich. Das Licht wurde schwächer, die Schwimmer langsamer.
Einer der Schwimmenden löste sich von den anderen und schoss aus der Tiefe mit eleganten Schwüngen nach oben zur Oberfläche. Bis ich begriffen hatte, was da passierte, schnellte Ethans Körper neben mir aus dem Wasser. Er stützte sich am Rand des Pools auf, hob sich mit Leichtigkeit heraus, schüttelte das Wasser aus dem Haar und setzte sich mit einer kleinen Drehbewegung neben mich. Ich kniete immer noch am Beckenrand. Langsam ließ ich mich auf die Fersen nieder und schaute ihn ungläubig an.
„Hi, Nia.“
Ich zögerte. „Hi, Ethan.“ Meine Stimme klang brüchig.
Langsam, wie auf ein Kommando, tauchten die anderen Schwimmer nach und nach aus dem Wasser auf. Die Spritzer, die sie aufwirbelten, hatten etwas Unwirkliches. Das Leben um mich herum schien in Zeitlupe abzulaufen, als einer nach dem anderen über den Rand des Pools kletterte und sich mit weißen Handtüchern abtrocknete. Eine der Schwimmerinnen war Venus. Sie trug einen feuerroten Bikini auf keinem Gramm Körperfett. Die blonden Haare auswringend, rief sie mir ein lakonisches Hallo zu. Ich nickte nur wie betäubt.
Als Letzter tauchte ein rothaariger Mann auf. Wir alle starrten ihn an. Er sah sich um, als sähe er die Welt zum ersten Mal, und stieg aus dem Wasser. Mit glasigem Blick nahm er ein ihm gereichtes Handtuch an. Dann ging er wortlos wie ferngesteuert an allen vorbei und setzte sich abseits auf einen der Stühle.
Ethan sah mich besorgt an. „Alles okay, Nia? Du siehst aus, als würdest du gleich zusammenklappen.“
„Alles okay“, log ich. Schwankend versuchte ich, auf die Füße zu kommen.
Ethan war aufgesprungen, um mir zu helfen.
„Lass“,
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