Aqualove
bedient hatte. Aber wie konnte sich ein Wildfremder in dem Lokal als Bedienung ausgeben? Und warum wusste dieser Mensch, wer ich war und wo er mich an diesem Abend antreffen würde? Warum die Warnung?
Abrupt schwang ich die Beine vom Sofa. Das musste aufhören. Jetzt sofort. Noch mehr unbeantwortete Fragen würden mich in den Wahnsinn treiben. Heute Abend würde ich mir eine Pause gönnen. Ich nahm das Mob in die Hand und verabredete mich mit Pearl. Wir würden Cola abholen und zusammen abhängen. Ich hatte ein Waterman-Gesprächsverbot verhängt, was bei Pearl auf Widerstand stieß. Aber das waren die Bedingungen. Es würde ein entspannter Abend werden. Entspannt und normal wie noch ein paar Tage zuvor.
Tanzen
Mit einem Glas in der Linken, den durch die Kohlensäure aufstrebenden Strohhalm mit dem Zeigefinger bändigend, stand ich auf der Tanzfläche zwischen deutlich größeren Besuchern des Clubs, die sich mehr oder weniger im Takt der Musik bewegten. Cola lehnte ein paar Schritte hinter mir an einer Säule. In Jeans und dunklem Hemd hatte er nicht mal seine Vertreterkleidung wechseln müssen. Aufmunternd nickte er mir zu. Ich tanzte gern und brauchte normalerweise keine Motivationshilfen, um mich zu bewegen. Ich war eine eher introvertierte Tänzerin, nicht zu raumgreifend in meinen Bewegungen. Dagegen nahm sich Cola wie der riesige Minimalist aus. Immerhin sah ich auch ihn ab und zu rhythmisch zucken. Mehr war meistens nicht aus ihm herauszukitzeln. Immerhin begleitete er Pearl und mich immer treu zu allen Tanzveranstaltungen, wie absurd ihm diese Art des Zeitvertreibs auch erscheinen mochte.
Pearl hingegen war voll in Fahrt. Den Blick leicht abwesend, tanzte sie mit ausladenden Bewegungen, als hätte sie seit ihrem ersten Besuch einer Diskothek nichts anderes mehr getan. Wenn ich ihren Tanzstil in ihrer Gegenwart als retro bezeichnete, fing ich mir regelmäßig eine Kopfnuss ein. Ich bemerkte, wie andere Gäste gelegentlich zu ihr hinsahen. Wahrscheinlich waren sie erstaunt, dass eine „Hausfrau“ in beiger Wolljacke und kariertem Rock sich so gehen ließ. Modisch hatte Pearl schon immer sehr individuelle Akzente gesetzt. Ihre braunen Haare hatte sie in einem unordentlichen Zopf zurückgezogen. Ich wusste, dass sie keine fünf Minuten vor dem Spiegel verbracht hatte, und fand das enorm sympathisch. Wir hatten Glück, dass ausgerechnet heute ein paar verrückte E-Musiker aus Deutschland angereist waren, die mit ihren Kinder-Keyboards und Mobs erstaunlich coole Beats erzeugten. Die Band hatte den schrägen Namen „Blood-Wurst“. Eine nordische Wuchtbrumme mit wasserstoffblondem Bürstenschnitt sang mit entrückter Stimme Harmonien in Moll darüber.
Das Tanzen machte Spaß, aber ich stellte zunehmend fest, dass wir drei uns mittlerweile am oberen Alterssegment der Partygäste befanden. Wo würden wir in fünf Jahren hingehen, wenn wir nicht negativ auffallen oder Seniorenrabatte erdulden wollten?
Die Nummern wurden schneller und schneller. Die hektischen Beats schreckten mich aus meiner Bewegungsschleife auf. Ich musste mal. In zwei Zügen trank ich mein Glas aus und gab Cola mit einem Wink zu verstehen, dass ich gleich wieder da sein würde. Mit einem Augenzwinkern zu Pearl hin, die in ihrer Trance nichts mitbekam, quetschte ich mich an den Nächststehenden vorbei. Trotz des Andrangs war bei den Toiletten erstaunlicherweise nichts los. Kein Mensch auf dem Flur.
Im Vorraum stellte ich fest, dass ich doch nicht allein war.
„Hi, Venus!“
„Hi, Nia!“
Sie hatte ihren Luxuskörper in ein hautenges, schulterfreies, schwarzes Top gezwängt. Ihre schwarze Lederhose saß wie eine zweite Haut. Sie trug die blonden Haare hochgesteckt und schaute mich aus dunklen Smokey Eyes durchdringend an.
„Ich bin wahrscheinlich paranoid, wenn ich unser Zusammentreffen heute Abend für keinen Zufall halte?“, fragte ich unschuldig lächelnd.
„Bist du“, gab sie kurz zurück. Sie war wirklich spektakulär in ihrer Eiseskälte und sprachlichen Sparsamkeit. Mit einem dunkelroten Lippenstift zog sie ihre formvollendeten Lippen nach. Ich wischte mir einen verschmierten Fleck Wimperntusche unter dem linken Auge weg und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, um das letzte bisschen Volumen herauszukneten, das mir die Shampooflasche voreilig im Kleingedruckten versprochen hatte. Neben Venus wirkte ich wie eine Hauskatze neben einem Panther.
„Er ist nicht hier.“ Natürlich meinte sie Ethan.
„Na und?“,
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