Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
weniger vergessen. Er hatte sogar überlegt, wie er die ganze leidige Affäre dem Jüngeren in die Schuhe schieben könnte, der mehr als jeder andere eine anständige Lektion in Bescheidenheit verdiente.
    Aber ihm fiel nichts ein, so dass er seine Aufmerksamkeit 261
    drängenderen Problemen in Helsinki und Zürich zuwandte, wo zwei seiner Untergebenen reichlich Mist gebaut hatten. Der Versuch, den beiden eine reine Weste zu verschaffen, ohne sich dabei selber die Hände schmutzig zu machen, hielt ihn so lange im Büro fest, dass ihn um Mitternacht ein Schneesturm überraschte, der es geraten erscheinen ließ, im Kreml zu übernachten.
    Aus diesem Grund saß er am nächsten Morgen schon in aller Herrgottsfrühe an seinem Schreibtisch, als Krasnovskij eintrat –
    mit blitzenden Augen und rosigen Wangen und einem Kopf voll hilfreicher Vorschläge. Petrow waren hilfreiche Vorschläge zuwider.
    »Sagen Sie nichts«, forderte er. Auf seinem Tisch lag die Sporting News ausgebreitet, die – wie man Krasnovskij gesagt hatte – der überaus geheimnisvolle Schlüssel zu einem Code für die Vereinigten Staaten sei, welchen aber nur Petrow allein kenne. Die Yankees hatten Cincinnati in Florida geschlagen.
    Petrow schätzte, dass sie es vielleicht bis in die World Series schaffen würden.
    »Tut mir leid, aber ich muss darauf bestehen«, entgegnete Krasnovskij lächelnd.
    Petrow markierte den bereits gelesenen Teil der Ergebnisliste mit dem Finger und starrte Krasnovskij missmutig von unten her an. »Also los. Reden Sie.«
    »Erinnern Sie sich noch an die Lage in Boston, über die wir am Sonntagmorgen gesprochen haben?«
    »Wenn’s denn sein muss …«
    »Wir haben anscheinend damit aufgehört, ihre Leute
    umzubringen.«
    »Wir haben nicht ihre Leute umgebracht, sondern einfache, normale und unschuldige Bürger.«
    »Wie Sie wollen –«
    »Nein – wie es ist. Oder war. Auf alle Fälle haben wir damit aufgehört, sagen Sie?«
    262
    »Sieht so aus.«
    »Das ist eine gute Nachricht.«
    »Nicht ganz, Genosse Direktor.«
    »Und warum nicht, Sie Nervensäge?«
    »Weil sie jetzt unsere Leute umgebracht haben.«
    »Oh.«
    »Zwei von ihnen. Die freien Mitarbeiter.«
    »Wer hat’s getan?«
    »Den einen hat ein Harvard-Professor auf dem Gewissen, der sich dabei vielleicht tödlich verletzt hat. Bei dem anderen wissen wir’s nicht.«
    »Die Quelle?«
    »CANTAB.«
    »Wahrscheinlich hat er sie selber umgelegt«, meinte Petrow mit rauem Lachen.
    »Ist das lustig, Genosse Direktor?« Krasnovskijs unschuldige Miene verdiente einen Orden.
    »Ich wollte Sie testen, Krasnovskij, und leider muss ich sagen, dass Sie durchgefallen sind. Ich werde nicht mit Ihnen über meinen Sinn für Humor diskutieren.« Er nahm den Finger von der Zeile und wandte sich wieder der Sporting News zu. Ohne aufzuschauen, fragte er beiläufig: »Haben unsere Leute eigentlich gefunden, was sie suchten?«
    »Nein. Wir wurden informiert, dass der Gegenstand für uns nicht mehr zugänglich ist.«
    »Nicht mehr zugänglich?« Obwohl er die Ergebnisse nicht mehr sah, hielt er den Kopf gesenkt. Sein Blickwinkel hatte sich verändert; er überlegte und versuchte, nicht laut zu schreien.
    » Nicht mehr zugänglich? «
    »Hat CANTAB gesagt.«
    »Wie hat er zu uns Kontakt aufgenommen?«
    »Über New York. Aus einer öffentlichen Telefonzelle in Maine.«
    »Unsere Leute sind tot, und das Objekt unserer Bemühungen 263
    ist nicht mehr zugänglich.« Endlich stand er auf. Er betrachtete die frische Schneedecke, die fahle Morgendämmerung, die kaum den Namen Licht verdiente. Es sah aus, als wäre der Winter zurückgekehrt. »Was ist mit diesem Chandler? War nicht eine Frau bei ihm?«
    »Aus der gleichen Quelle hören wir, dass sie verschwunden sind. Er kann sie nicht finden.«
    »Entweder hat er schwer nachgelassen – oder er ist nicht ganz ehrlich mit uns.« Ungeduldig faltete Petrow die Sporting News zusammen.
    »Könnten wir den Fall nicht sausen lassen?«
    »Nein, Krasnovskij, könnten wir nicht. Und jetzt gehen Sie an Ihre Arbeit. Ich kümmere mich darum. Gehen Sie schon.«
    Krasnovskij verließ widerwillig und schmollend das Zimmer.
    Er hielt den Blick gesenkt.
    Nicht mehr zugänglich .
    Petrow gestattete sich schließlich ein Lächeln. Nicht mehr zugänglich. Diesen Satz hatte er schon mal von CANTAB
    gehört. Er hatte eine bestimmte Bedeutung, und die ließ sich in einem einzigen Wort zusammenfassen: Stronghold.
    Er lehnte sich zurück, betrachtete den grauen Himmel, den

Weitere Kostenlose Bücher