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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Ziel?«
    »Ich höre nichts, wenn die Motoren laufen«, meinte er und lachte so abrupt auf, dass es klang wie eine Salve aus dem Maschinengewehr.
    »Fliegen wir in das gottverdammte Halifax oder nicht?«
    »Nein, nein!« Er kriegte sich kaum mehr ein vor Lachen. Seit Jahren schien er sich nicht mehr so amüsiert zu haben. »Nein, nicht nach Halifax!«
    »Kommen Sie, Kendrick – spannen Sie uns nicht auf die Folter. Sagen Sie, wohin wir fliegen.«
    »Noch ’ne Stunde nach Norden, um die Inselspitze herum, Richtung Kap Breton. Wir können nicht über Land fliegen, ohne Flugplan. Müssen sehen, wo wir bleiben: schön tief bleiben, das Ziel anfliegen, dann runter und raus …«
    »Runter und raus? Was soll das heißen? Nichts geht runter und raus aus der Kiste hier, verstanden?«
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    »Regen Sie sich ab, Professor. Es heißt bloß, dass wir landen.
    Dann lasse ich Sie raus und haue ab.«
    »Sie hauen ab?«
    »Ruhig, Mann. Mr. Prosser hat alles geregelt.«
    Das Flugzeug sank noch um weitere zweihundert Meter, bevor Chandler überhaupt etwas erkennen konnte: hier und da ein winziger Lichtpunkt auf dem Festland. Kap Breton. Er war nie dort gewesen, wusste nichts über das Kap. Eine Bekannte, die von ihrer Reise berichtete, hatte ihn jedoch vorsichtig gestimmt:
    »Eigentlich lohnt es sich nicht. Aber Mitte Juni ist es dort traumhaft – wenn man’s rustikal mag.« Leider war Mitte Juni lange vorbei. Er fror. Draußen heulte der Wind wie eine Meute losgelassener Höllenhunde, die an dem zerbrechlichen Fluggerät kratzten und zerrten und versuchten, es vom Himmel zu reißen.
    Als Polly schließlich aufwachte, fragte sie mit belegter Stimme: »Sind wir schon tot?«
    »Dauert noch ein bisschen. Wir sinken aber bald in die donnernde Brandung, wo uns der fröhliche Clown hier aussetzen wird. Alles in bester Ordnung.«
    Gähnend richtete sie sich auf. »Ich möchte ein Glas Wasser.«
    »Nein.«
    »Ich muss mal.«
    »Tut mir leid.«
    »Sind wir bald da?«
    »Sei still, Kleine.«
    »Heiland! Ist das da unten schon das Wasser?«
    »Hmm.«
    »Direkt vor uns!«
    Kendrick stieß wieder sein Indianergeheul aus. »Anschnallen!
    Wir sind gleich da.«
    Er hatte die gelben Scheinwerfer eingeschaltet, die den Nebel beleuchteten, der immer noch vor ihnen her trieb. Unter ihnen reckten sich die Wellenkämme, um die Pontons und das Untergestell zu empfangen. Das schäumende Wasser sah hart 270
    aus, wie aufgerauter Zement, der darauf wartete, das Flugboot bei der ersten Berührung in Stücke zu reißen. Es stand da wie eine feste Wand, an der sie jeden Moment entlangschaben würden.
    Runter, weiter runter … Sein Magen hob sich, als die Lücke zwischen Flugzeug und Wasser enger wurde und der Nebel an den Fenstern vorbeiflog, als nichts vor ihnen lag als Wasser und absolute Finsternis, wo sie eigentlich Kap Breton erwarten sollte. Woher kannte Kendrick ihre Position? Die Frage peinigte ihn, während sich Polly mit weit aufgerissenen, auf das kleine ovale Fenster fixierten Augen an seinen Arm klammerte. Als er sich vorbeugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, das er selber nicht hören konnte, sah er ihr Profil und küsste sie auf die pfirsichzarte Wange.
    Das Metall stöhnte auf, als das Flugboot klatschend aufs Wasser schlug, nach oben und zur Seite katapultiert wurde und gefährlich außer Kontrolle zu geraten schien, dann erneut auf das steinharte Wasser prallte und hüpfend über die Oberfläche glitt wie ein Kiesel, den ein Kind auf dem Wasser springen lässt.
    Dann neigte sich der Bug – bedrohlich, wie es Chandler empfand – bevor das Fahrzeug in seiner selbst geschaffenen Wassermulde auf den Wellen ruhte. Es verlangsamte seine Fahrt unter ständigem Protest des Metalls, der sich aber kurz darauf legte.
    Als das Flugboot endlich träge auf dem Wasser schaukelte wandte Kendrick ihnen im geisterhaften Schein der Instrumente sein bleiches, grinsendes Gesicht zu. »Bisschen stürmisch heute Abend«, sagte er entschuldigend. »Aber das Wichtigste ist doch, dass wir hier sind, oder? Gesund und munter.«
    »Halten Sie die Klappe«, krächzte Polly mit trockenem Mund.
    »Ich kann’s Ihnen nicht verübeln, Miss«, meinte er gutmütig, während er sich aus dem Pilotensitz schälte. »Feucht da draußen
    …«
    Kendrick wuchtete ein Paket hinter den Passagiersitzen hervor, 271
    klemmte es unter den Arm und ging mit weichen Knien an ihnen vorbei. Er entriegelte die Tür, die er so weit am Rumpf entlang schob, bis sie hörbar einrastete. Durch

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