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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Schnee, der alles weiß überzog, das er von seinem Fenster aus sehen konnte. Die Frage, die er sich in Gedanken stellte, war keineswegs neu für ihn: Für wen arbeitete CANTAB eigentlich?
    Petrow war immer der Meinung gewesen, der alte Herr sei ein Söldner, ein Experte, den man nur zuzog, wenn niemand sonst weiterhelfen konnte. War er für Sanger in der gleichen Weise tätig? Warum eigentlich nicht? Solange es keinen
    Interessenkonflikt gab … Und diese Sache hatte ganz bestimmt nichts mit Sanger zu tun. Es ging nur um ein Stück Papier, nichts, von dem Sanger irgendwie Wind bekommen haben könnte. Nein, es war einfach Pech. Pech, dass Sangers Leute da mit hineingeraten waren – falls sie überhaupt beteiligt waren, falls sie es waren, die die beiden Ganoven in Boston aus der 264
    Welt geschafft hatten. Er presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Seine Arbeit war immer schwierig, doch kaum greifbare Probleme über einen längeren Zeitraum, die immer komplizierter statt durchsichtiger wurden, hasste er am meisten.
    Unwichtiges Zeug, das sich erst durch dilettantische Handhabung wichtig machte.
    Er überlegte, ob er Sanger nicht auf der direkten Leitung anrufen sollte, um herauszufinden, was da eigentlich vor sich ging. Doch wenn Sanger nun gar keine Ahnung hatte? Dann würde er in seiner Neugier wie ein wild gewordener Derwisch Staub aufwirbeln und Ärger machen, wo es bisher nur Verwirrung gab.
    Beharrlich versuchte er, logisch zu denken.
    Ging ihm der Tod der Agenten nahe?
    Nein, nicht besonders. Sie waren Stümper. CANTAB hatte sie allein schon wegen ihrer Stümperei ins Jenseits befördern wollen.
    Musste er unbedingt CANTABs Spiel durchschauen?
    Nein, eigentlich nicht. Er war ein alter Mann, der nur in das Geschäft eingestiegen war, weil es ihm so einfach und harmlos erschien. CANTAB würde niemals mit einer kritischen Aufgabe betraut werden. Er würde mit Sicherheit nicht dichthalten, und vielleicht hatte ihn seine Gier schon vor langer Zeit zum Doppelagenten gemacht. Er war für Petrow nicht wichtig.
    Was war ihm dann wichtig?
    Das Dokument. Und die, die es hatten. Und CANTAB hatte gesagt, nicht mehr zugänglich … Stronghold. Das musste es sein.
    Er rief Krasnovskij zu sich. »Verbinden Sie mich mit unserem Mann in Montreal.«

    Noch nicht Mitternacht.
    Blinzelnd, durch Pillen wach gehalten, mit einem Koffer voll roter Leuchtkugeln im Gepäck, rasten Fennerty und McGonigle 265
    auf schnellstem Weg nach Norden. Um keine Zeit zu verlieren, lösten sie sich alle paar Stunden beim Fahren ab.

    Wie ein toter Fisch lag ein dunkel im Mondschein glänzendes U-Boot im Atlantik. Der Dienst habende Offizier hatte eine Stunde gebraucht, um die seltsamste Nachricht zu dekodieren, die er je empfangen hatte. Er sah keine andere Möglichkeit, als eine Bestätigung zu verlangen. So weit er verstehen konnte, sollten die höchst geheimen Manöver auf einer kleinen, unbewohnten Insel, welche die Marine zu Übungszwecken benutzte, jetzt als Ernstfall durchgeführt werden. Für ihn gab es nur eine einzige, unvermeidliche Schlussfolgerung – an der er schwer zu kauen hatte: Das ganze Tamtam konnte nur heißen, dass die Vereinigten Staaten Krieg führten! Gegen Kanada …

    In Montreal wurde einem korpulenten Mann das Abendessen verdorben. Sein erster Sekretär fand ihn umgeben von Wohlgerüchen in einem warmen italienischen Restaurant im zweiten Stock, wo er gerade Pasta mit einer dunklen Soße in sich hineinschaufelte. Im Kühler wartete eine bereits entkorkte Flasche Soave Bolla.
    Er zwängte sich in seinen Mantel und eilte in sein Büro. Dort musste er umgehend einen Auftrag bestätigen, dann die Leute für den Einsatz aussuchen und informieren. Schließlich war es kein Kinderspiel, in einem souveränen Staat weit weg von daheim aus der hohlen Hand eine Offensive zu starten. Die Anweisungen, die er bekommen hatte, waren umfangreich und sehr detailliert. Was von dem Mann in Montreal erwartet wurde, kam einem Wunder sehr nahe. Der Anreiz war allerdings beachtlich: Vom Erfolg der Operation hing seine Karriere ab, höchstwahrscheinlich sogar sein Leben.
    »Verrückt«, dachte er, als er mit den Vorbereitungen begann.
    »Es wird immer verrückter.«
    Die Telefonnummer in Halifax war fast eine Stunde lang nicht 266
    zu erreichen. In der Zwischenzeit musste er sich zweimal übergeben.

    Im Traum sah Chandler etwas Rotes, Flüssiges träge
    emporquellen wie Öl, das in einem versiegelten Plexiglasgefäß unaufhörlich

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