Aquila
sind.«
»Und wie die hier weg konnten.«
»Alle lösen sich in Luft auf.« Thorny ging in die Küche, wo er ein Glas aus dem Schrank nahm und es mit Leitungswasser füllte.
»Underhills Sekretärin …« Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht. »Jetzt die beiden. Und wir haben immer noch keinen Schimmer.« Er nahm noch einen Schluck. »Wer bleibt uns denn übrig? Wir brauchen einen Hinweis. Willst du ein Glas Wasser?«
»Steck dir dein Wasser an den Hut«, blaffte Ozzie.
»Komm, fahren wir zurück nach Cambridge«, meinte Thorny schließlich. Er wischte mit seinem Taschentuch das Glas und den Wasserhahn ab und beim Hinausgehen die Türgriffe.
155
Am Kenmore Square lenkte Chandler den braunen Wagen durch den Dunst. Er musste sich konzentrieren, um den Verkehr in dem milchigen Scheinwerferlicht zu erkennen. Von der Commonwealth fuhr er zur Arlington Street und bog dann nach rechts, wo George Washington immer noch auf seinem Pferd saß und ihn beobachtete. Unwiderstehlich zog es ihn in die Chestnut Street …
Der rote Pinto war weg! Aus dem Erkerfenster von Pollys Wohnung strahlte warmes, gelbliches Licht. Die
Scheibenwischer kreuzten seinen Blick. Der rote Pinto war weg!
Über die Beacon Street fuhr er bis zur Höhe des Parlaments, um einen Blick auf Nat Underhills Laden zu werfen, bevor er die Richtung zur geschäftigen Union Street und dem Faneuil-Hall-Blumenstand hinter der Glasfassade einschlug.
Menschenmassen schoben sich in Richtung Durgin Park und Union Oyster House. Sie zirkulierten in der dämpfigen Halle und verließen sie wieder mit bunten Sträußen, verpackt in Kartons und in Seidenpapier. Er hielt am Bordstein und wartete.
Polly war nirgends zu sehen – und natürlich kannte sie das Auto nicht. Bei laufendem Motor stieg er schließlich aus und suchte sie zwischen den Blumen und Farnen und Bäumen.
»Hier drüben, junger Mann.«
Sie zwinkerte ihm mitten aus einem Arrangement wallender gefärbter Straußenfedern heraus zu.
»Kommen Sie da raus«, befahl er. »Das ist kein Spiel.«
»Wir müssen doch unseren Sinn für Humor behalten, wenn ihn schon alle rings um uns verlieren«, meinte sie und hakte sich bei ihm unter, während sie zum Wagen liefen. »Was ist das überhaupt für ein Wagen?« Er öffnete ihr die Tür.
»Ein brauner. Beeilen Sie sich.«
»Nora ist sicher im Parker House gelandet«, erklärte sie, als er anfuhr. »Aber sie hat kein großes Glück mit ihren Anrufen.
Europa ist zu der Zeit schlecht zu erreichen. Montag wird’s besser laufen. Bis dahin ist sie gut untergebracht.«
156
»Der rote Pinto war verschwunden. Ich bin gerade dort gewesen.«
Schweigend fuhren sie Richtung Norden. Zwischen den scheinbar endlosen Reihen hell erleuchteter Restaurants, Möbelhäuser und Einkaufszentren kamen sie nur langsam vorwärts. Vorbei ging es am Bunker-Hill-Denkmal zu ihrer Linken, begleitet vom Dauerregen und dem Geräusch der Scheibenwischer. Allmählich lichtete sich der Verkehr, und die Nacht brach herein.
Sie fasste nach seinem Arm. Zugleich überkam ihn ein seltsames Gefühl von Heiterkeit, als wären sie beide Kinder: ein unerwarteter Glücksmoment, in dem sich ein Hochgefühl im Inneren ausbreitet. Es hatte viel mit ihr zu tun, und mit dem kuschelig warmen braunen Wagen – aber auch mit dem
Abenteuer, das Chandler nun nicht mehr so gefährlich erschien.
Sie waren die Kerle im roten Pinto los. Keiner kannte ihr Ziel.
Der Macguffin wartete am Ende ihrer Reise, und wenn sie festgestellt hatten, worum es eigentlich ging, würde sich alles von selbst klären. Dann hatte er Zeit, sich um dieses außergewöhnliche Wesen zu kümmern, das seinen Arm hielt.
An einem Sonntagmorgen um fünf wachte Maxim Petrow in seiner Datscha bei Moskau auf. Zunächst hatte ihn das Läuten des Telefons aus dem Schlaf gerissen. Dann musste er zwei Stunden auf Krasnovskijs Bericht über ein Problem warten, das Petrow zumindest zu Beginn der Ereignisse dieses Tages als banal, unklar und todlangweilig empfand. Zwei Stunden später kam es ihm so vor, als habe er etwas verbockt – er wusste nur nicht, wie und was.
»Verzeihen Sie, wenn ich das sage, Genosse Direktor«, hatte Krasnovskij bemerkt, während er die Beine übereinander schlug und eine imaginäre Fussel von seinen erstklassig gebügelten Hosen wischte. »Ihr Sinn für Humor ist daran schuld.« Die Worte wieder einmal hatte sein junger Kollege unausgesprochen 157
gelassen.
»Halten Sie bitte den Mund«, sagte er gereizt. Die
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