Aquila
zurückkam.
»Wissen Sie, Elise«, sagte er, während er zusah, wie ihre Lippen den Rand des Champagnerglases liebkosten, »wenn ich vor vierzig Jahren jemandem wie Ihnen begegnet wäre, hätte ich 162
mich kaum für ein Junggesellenleben entschieden.«
»Sehen Sie’s doch so«, erwiderte sie selbstsicher, »als Junggeselle waren Sie vierzig Jahre lang im Geschäft. Und bestimmt ziemlich erfolgreich.« Sie drückte seine Hand auf eine Weise, die man als dezente Ermutigung verstehen konnte. Er ging im Geist rasch die Skala der möglichen Reaktionen und Konsequenzen durch, als sich neben ihm sein Assistent Dennis Herman räusperte und seinen Arm berührte.
»Was gibt’s, Dennis?« Sanger hatte fast ein Jahr gebraucht, bis er es in den Kopf bekam, dass der junge Mann nicht Herman Dennis hieß – was ihm irgendwie passender vorgekommen war.
»In der Bibliothek wartet ein Bote, Sir.«
»Ah ja. Elise, Sie müssen mich einen Moment entschuldigen.
Dennis wird sich um Ihr Glas kümmern, meine Liebe.« Er zog sich rasch in die dunkel gehaltene Bibliothek zurück, wo sein engster Mitarbeiter Harry Stevenson höchst persönlich auf ihn wartete. Er rauchte Pfeife und las in der neuesten Playboy -
Ausgabe, die ein Interview mit einem radikalen Terroristen brachte, dessen Ermordung sie ernstlich erwogen hatten.
»Arden«, sagte er und atmete, ohne aufzublicken, den Rauch aus, »wir hätten dem kleinen Scheißkerl an die Gurgel gehen sollen, als es noch möglich war. Jetzt ist er zum Medienhelden aufgestiegen und will Senator werden.« Er warf die Zeitschrift auf einen Stuhl, traf aber daneben, wobei das Titelbild zerriss.
»Ich schau mir immer nur die Bilder an«, meinte Sanger. Er platzierte seinen breiten Hintern in einen rissigen alten Ledersessel und betrachtete Stevenson aus seinen zwischen Fettpölsterchen versunkenen Augen. In zwei Wochen würde er sich liften lassen, dann hatte er wieder klare Sicht. Doch Stevensons knochiges, scharf geschnittenes Gesicht konnte er sehr gut erkennen. Es war das Gesicht eines Mathematikers.
Stevenson war fünfzehn Jahre zuvor vom M.I.T. zu ihnen gestoßen. »Was kann ich für Sie tun?«
»In Boston gehen seltsame Dinge vor«, erklärte Stevenson 163
vieldeutig.
»Boston ist eine seltsame Stadt. Erzählen Sie mir was Neues.«
»CRUSTACEAN hat mich angerufen.«
»So?«
»Er macht sich Sorgen. Er sagt, Petrow lässt dort von zwei Revolverhelden Leute umbringen. Das gefällt ihm nicht besonders.«
» Revolverhelden? Hoffentlich nicht. Weiß er, warum?«
»Eigentlich nicht. Es geht um irgendein Dokument. Auf jeden Fall habe ich unsere Akten überprüft. Zu meiner großen Überraschung vermissen wir weder Pläne über Geheimangriffe, Nervengas oder biologische Waffen noch über eine
Marktüberschwemmung mit ungesalzenem Popcorn. Aber unser Freund informiert uns nicht ohne guten Grund. Zwei
erschossene unschuldige Bürger sind für ihn wahrscheinlich ein guter Grund.«
»Der Reihe nach, Harry.«
Es dauerte beinahe eine Stunde. Sie schwiegen ein paar Minuten, als Stevenson die Geschichte – soweit er sie kannte –
zu Ende erzählt hatte.
»Wenn ich recht verstehe, weiß niemand, wo das verdammte Ding ist«, sagte Sanger. »Oder was es ist.«
»Richtig. Keine Spur davon. Nur Tote …«
»Und ein verschwundener Harvard-Professor.«
»Richtig.«
»Ich schätze, wir sollten herausfinden, warum Petrow so verdammt interessiert an der Sache ist.«
»Sie wissen ja, wie’s läuft: Wenn er interessiert ist, sind wir’s auch.« Stevenson klopfte seine Pfeife an der Seite eines schweren Glasaschenbechers aus und blies geräuschvoll durch den Stiel.
»Also finden Sie Chandler. Das wär’s meines Erachtens.«
»Nicht ganz. CRUSTACEAN will Petrows Leute liquidieren, falls er es für richtig hält. Er will unser Einverständnis.«
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»Falls es nötig sein sollte, meinen Sie.«
Stevenson nickte.
»O Gott«, seufzte Sanger. »Nur, wenn sie jemandem etwas antun.«
»Ich probier’s mal damit. Aber vielleicht macht er einfach, was er will, der alte Arsch.«
Sanger lachte. »Die Frage ist, warum Max seine Jungs von der Leine lässt und in Kauf nimmt, dass er mich damit ärgert.«
»Es könnte was Wichtiges sein …«
»Warum setzt er dann solche Idioten ein? Das ergibt keinen Sinn.«
»Warten wir’s ab«, sagte Stevenson.
»Wie immer.«
Stevenson hatte schon die Doppeltüren erreicht, als Sanger etwas einfiel.
»Das Blöde an Max ist sein verfluchter Sinn für
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