Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
würden ganz schön dämlich aussehen, wenn es den Russen oder den Chinesen oder sonst wem in die Hände fiele und sie’s publik machen würden. Kleines Geschenk zur Zweihundertjahrfeier.«
    »Ein Publicity-Gag.« Polly nickte und schob die Unterlippe vor. »Beschämend.«
    »Unsinn, das ist absurd.« Chandler stand auf und reckte sich.
    Er hörte seine Gelenke knacken. »Fremde Mächte? Wie sollten sie davon erfahren haben?«
    Auf dem Fußboden drehte sich Polly langsam herum und stieß Chandler den Finger vor die Nase. »Betrachten Sie doch die andere Seite der Medaille: Nehmen wir an, unsere Leute wüssten, dass es einen Beweis gibt, der George Washington als Landesverräter entlarvt. Wie würden sie reagieren?«
    »Sie lassen das Ding in der Versenkung verschwinden.« Percy rieb sich die trockenen Hände. Ihm war das Einzigartige der Situation bewusst geworden. »Schwer vorstellbar, dass unsere eigenen Leute durch die Lande ziehen und morden und foltern
    … aber aus der jüngeren Geschichte hab ich eins gelernt: Nichts ist unmöglich – rein gar nichts.«
    »Ja.« Polly schnurrte beinahe. »Und die Idee mit den fremden Mächten ist gar nicht so weit hergeholt, wenn man eines bedenkt
    –«
    »Was denn?«, fragte Chandler voller Ungeduld.
    »Ganz einfach: Nat hat kürzlich Bukarest besucht.«

    Fast zwei Stunden lang überlegten sie hin und her, ohne dass ihnen etwas Neues einfiel. Sie kamen zu keinem nennenswerten Ergebnis. Chandler brannten vor Müdigkeit die Augen, sein 187
    Nacken schmerzte; sein steifer Körper, der noch unter den Attacken der beiden Ganoven und unter der feuchten Nachtluft litt, war ausgelaugt. Doch was ihm am meisten zu schaffen machte, war seine geistige Erschöpfung. Schließlich musste er gähnen und fiel fast von der Couch. Ihm war kaum aufgefallen, dass keiner mehr sprach. Polly und Percy Davis starrten wie betäubt in die Flammen.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte er. »Ich bin völlig durcheinander, mir fällt nichts Sinnvolles mehr ein. Ich brauche Schlaf.
    Vielleicht weiß ich morgen früh, wie’s weitergehen soll.« Polly stand mit ihm zusammen auf.
    »Gute Idee«, warf Percy ein. »Bei Tageslicht erkennt man vieles besser. Ich habe für Sie ein Zimmer vorbereitet. Mit Doppelbett. Das ist Ihnen hoffentlich recht. Alle anderen Betten sind abgezogen.«
    »Wunderbar«, sagte Polly und unterdrückte ein Gähnen.
    Als sie in dem großen Zimmer allein waren, in dem das Glas im Fensterrahmen klapperte, fielen sie todmüde aufs Bett.
    Chandler war beinahe eingeschlafen, als er ihre Stimme über sich hörte. Mühevoll zog er ein Augenlid hoch und sah ihren Umriss im nächtlichen Zwielicht.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Nichts.« Sie beugte sich über ihn, und er spürte ihren Mund zart auf seinem. »Nur ein Gutenachtkuss.« Er zog sie zu sich herab und küsste sie, während er ihren Körper an sich presste.
    Aber ihm fehlte die Energie, weiterzumachen. »Schlafen Sie«
    flüsterte sie und erhob sich. Dann legte sie eine Decke über ihn.
    »Das Zimmer riecht wie eine Kommode aus Zedernholz«
    brummelte er.
    »Das mit George Washington tut mir wirklich leid«, hörte er sie vom anderen Bett aus sagen. »Vielleicht ist alles ein Irrtum, Colin.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Er wollte noch mehr sagen, aber alles schien ihm zu entgleiten. Er bildete sich ein, ihren 188
    Duft einzuatmen, ihren Mund auf seinem zu fühlen. Doch nicht mal da war er sich sicher.

    Verdammt – er würde nichts von Kennebunkport verraten. Aber die Fragen hagelten auf ihn ein – immer wieder. Und die Schmerzen …
    Die Tortur hatte schon ziemlich lange gedauert, und Hugh Brennan hatte sich die meiste Zeit gewünscht, einfach das Bewusstsein zu verlieren. Doch die Ohnmacht war ihm wohl nicht vergönnt. So registrierte er weiterhin seine Umgebung, den Geruch des Vick Vaporub, der ihm von seiner behaarten Brust in die Nase stieg, das Brennen im Magen, verursacht durch die Mischung aus Bier und Excedrin …
    Nein – falsch. Sein Magen enthielt gar nichts mehr; aber es fiel ihm schwer, die Dinge auf die Reihe zu bringen: die kalten Schweißausbrüche, das Erbrochene, an dem er fast erstickt wäre, als es von dem Handtuchknebel in seinem Mund blockiert wurde und in die Luftröhre rann, sein unfreiwilliges Urinieren, sein Entsetzen, als er sich durch das Handtuch in die Wange und in die weiche Masse seiner Zunge gebissen hatte und sein Blut im Mund schmeckte.
    Bevor sie mit dem Handtuch ankamen, als er

Weitere Kostenlose Bücher