Aquila
langte er nach dem störenden Objekt.
»Ja«, sagte er kühl. Sein weißer Schnurrbart zitterte, als er die Zähne zusammenbiss.
Was nun folgte, strapazierte seinen guten Glauben bis zum Äußersten. Er hörte mit ernstem Gesicht zu. Hätte er Farbe im Gesicht gehabt, so wäre er während des Berichts bleich geworden.
»Klappe halten!«, forderte er mit Nachdruck. »Wen haben Sie umgebracht? Drücken Sie sich klar aus, damit ich alles richtig verstehe. Es ist wichtig. Und jetzt reißen Sie sich zusammen.« In Gedanken hatte er das Todesurteil für diese beiden Stümper schon unterschrieben – wie mit Sanger abgemacht. Als er auf die Wiederholung des Berichts wartete, zogen sich seine weißen Augenbrauen zusammen. »Sie haben niemanden umgebracht«, sagte er langsam. »Ozzie ist tot? Was soll das heißen? Wie das?« Er griff nach einem Fläschchen winziger weißer Pillen, Placebos nach seiner Überzeugung, aber er nahm sie trotzdem.
Sie zeigten nie die geringste Wirkung. »Professor Brennan hat ihn getötet? Mit einem Stock? « Er ließ die winzig kleine Tablette unter der Zunge zergehen. »Ich möchte nicht grob sein, verstehen Sie, aber Sie müssen zugeben, dass sich Ozzie diese Woche wie ein Gehirnamputierter benommen hat … Nein, natürlich ist das nicht lustig. Aber ich hätte wohl gedacht, dass er sich gegen zwei lahme Harvard-Professoren behaupten könnte … Lassen wir das … Sie sind geflüchtet, das kann ich verstehen. Sie wissen nicht, ob Brennan noch lebt … Ich 194
vermute, das war Ozzies Vorstellung von einem Gespräch: ein paar Stunden schwere Folter … Ich finde, er hat den Tod verdient, Mr. Thornhill. Schade, dass ich nicht selbst mit Hand anlegen konnte.« Er nippte an seinem Sherry. »Beruhigen Sie sich doch! Ich weiß, er war Ihr Partner. Trotzdem war er ein blutrünstiger Irrer, auf seine Art, wenn Sie mich verstehen …
Sie tauchen jetzt bitte unter. Was? Sie wissen, wohin Chandler gefahren ist? Gut. Unternehmen Sie nichts. Nichts! … Nein, Sie fahren nicht nach Kennebunkport … Thornhill? Thornhill? …«
Er legte den Hörer auf die Gabel und strich sich mit geschlossenen Augen über den weißen Schnurrbart. »Gott verdamm dich, Thornhill«, flüsterte er. Was sollte er jetzt machen? Er hätte gern gewusst, wie viele Leichen in Brennans Haus in Cambridge herumlagen. Vermutlich würde ihm nichts übrig bleiben, als das herauszufinden. Und wie sah es mit dem flüchtigen Chandler aus?
Andrew Fennertys schmaler kleiner Mund stand leicht offen und ließ zwischen den Lippen ein winziges Stückchen von einem nikotinverfärbten Zahn sehen. Die Lider hinter den runden Brillengläsern waren geschlossen, und seine Augen bewegten sich im Schlaf unruhig hin und her. Mit seinen bläulichroten Tränensäcken sah er aus wie ein Kranker. Bis auf seine schweren Stiefel lag er voll bekleidet auf dem Bett im Ritz-Carlton und hatte sich bis zum Gürtel mit einer Decke zugedeckt. Auf dem zweiten Bett lag McGonigle mit dem Rücken zu ihm auf der Seite. Sein lautes, beständiges Schnarchen war möglicherweise der Grund für Fennertys nervöses Augenflackern.
Das Telefon ließ ihn hochfahren, als habe ihm jemand einen Rippenstoß versetzt. Seine wieselflinken Augen klappten auf wie bei einer Puppe. Mühsam versuchte er hochzukommen, verhedderte sich dabei aber in der Decke. Ein Angreifer hätte ihn inzwischen längst getötet, das wusste er wohl. Es bewies 195
wieder einmal, dass er zu alt war für solche Sperenzchen, dass er wieder an seinen Schreibtisch gehörte, von wo CRUSTACEAN
ihn weggeholt hatte.
Der alte Herr würde am Telefon sein, da war er sich sicher.
»Andrew«, sagte die ferne, emotionslose und müde Stimme,
»Sie sollten Brennan im Auge behalten … Ich dachte, ich hätte mich vollkommen klar ausgedrückt.«
»Wir waren doch dort«, erwiderte Fennerty mit trockenem Mund, »bei seinem Haus.« Er griff nach dem staubigen, mit abgestandenem Wasser gefüllten Zahnputzglas auf dem Nachttisch zwischen den Betten. »Wir haben es sogar mit dem Richtmikrofon überprüft. Glauben Sie mir, er hat ferngesehen und geniest. Sonst nichts.«
»Bringen Sie mich nicht in Rage. Sie werden feststellen, dass der Fall ganz anders liegt. Keine Widerrede: Sie fahren jetzt hin und schauen nach, und danach erzählen Sie mir haarklein, was Sie vorgefunden haben. Haarklein, verstanden?«
»Verstanden.« Fennerty spürte einen schwachen
Adrenalinschub; es war aber nicht der aufregende Kitzel, wie er ihn
Weitere Kostenlose Bücher