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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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fühlte er, wie sich sein Magen umdrehte. Er fing an, trocken aufzustoßen. Wie ein Puppenspieler hob er den rechten Arm, der leblos an Schnüren zu hängen schien, und zog an dem Handtuch zwischen seinen aufgeplatzten, schmerzenden 191
    Lippen. Er spürte kaum Schmerz in den Fingerkuppen. Sie fühlten sich eher schwammig an – schwammig und warm und von einem pulsierenden Brennen durchströmt. Er presste die Zunge gegen das Handtuch und verschluckte sich an dem herausgedrückten Blut. Aus seinem Hals drang ein schwaches Krächzen. Er konnte nicht mehr sprechen; sein Hals fühlte sich an, als sei er eine Stunde lang mit Mistgabel und Sandpapier traktiert worden. Als er nieste, wusste er, was es hieß, zu sterben und wieder ins Leben zurückzukehren. Er berührte sein Gesicht.
    Es war in Schweiß gebadet, und auch sein Bademantel war durchweicht. Was sollte er tun?
    Der Kleine rief dem Großen aus der Küche zu, er solle rauskommen und sich beeilen. Der drehte sich mühsam auf alle viere und richtete sich taumelnd auf. Er sah aus wie eine Horrorerscheinung aus dem Schlachthaus, voller Blut, das Gesicht auf einer Seite weggeschmolzen. Kaum war er aus dem Zimmer gepoltert, ließ sich Brennan zu Boden gleiten und rutschte auf Knien zum Sideboard. Mit dem, was von seinen Händen übrig war, packte er den schweren
    Schwarzdornknüppel. Er spürte nichts, musste sich aber die Handflächen abwischen, um ihn gut in den Griff zu bekommen.
    Idioten, dachte er. Sie hätten mich umbringen sollen.
    Er zog sich hoch. Auf dem Weg zu seinem Posten im Schatten neben dem Durchgang kam er an einem Spiegel vorbei. Ihn erschreckte, was er sah: die fürchterlich blutigen Hände, die den Knüppel umklammerten, der nass und offen an ihm
    herabhängende Bademantel, das schwarze Loch seines Mundes.
    Mit der Geduld der Verdammten wartete er, bis er sie kommen hörte.
    Sie gingen rasch und sprachen aufgeregt miteinander, doch Brennan interessierten ihre Worte nicht.
    Er schwang den Knüppel genau im passenden Moment. Als sie aus dem Durchgang traten, stieß er ein grässliches Banshee-Geheul aus und erkannte den Ausdruck von Todesangst auf dem 192
    Gesicht des Kleinen, als das dicke knorrige Ende des Knüppels dem Großen mitten ins Gesicht krachte. In der einen Sekunde stand der Mann noch da, in der nächsten nicht mehr. Sein Schwung schleuderte Brennan durch den Durchgang, wo er –
    halb nackt – mit dem fallenden Körper zusammenstieß, der schlaff zu Boden sank. Nase und Augen bildeten eine einzige Masse, das Gesicht war in den Schädel gedrückt. Der Körper schlug auf den Boden, als Brennan mit den Schreckensschreien des Kleinen im Ohr und rotem Nebel vor den Augen dicht dahinter landete.
    Dann wurde er bewusstlos und hörte nichts mehr. In seiner Brust spürte er nur noch einen kurzen elektrischen Schlag.

    Der flatternde Herzschlag des alten Herrn vereitelte seinen Schlaf. Bisweilen – wie im Augenblick – kam es ihm so vor, als huschten ein paar Mäuschen in seinem Körper umher wie glückliche, flinke, menschenähnliche Geschöpfe von Walt Disney. Das Konzert hatte ihm Freude gemacht, trotz der wenig ermutigenden Unterhaltung mit Liam und Andrew. Mit Kenneth Roberts’ Arundel, den der Autor Vorjahren für ihn signiert hatte und der schon ganz zerlesen war, hatte er sich zeitig ins Schlafzimmer zurückgezogen. Von mehreren Kissen gestützt, neben dem Bett sein Sherry, der dicke Roman auf dem Schoß, auf dem UKW-Sender Die Fledermaus: So saß er da und bemühte sich, den beunruhigenden Aufruhr in seiner Brust zu ignorieren.
    Es war ihm gelungen, die internationalen Aktivitäten der letzten Tage zu vergessen, ebenso die Unterhaltung mit Sanger, während er sich in Roberts’ Erzählung über Benedict Arnold verlor. Die Lider wurden ihm schwer, und gleich stellte sich der unvermeidliche Gedanke ein: Wenn du jetzt einschläfst, wachst du morgen vielleicht nicht mehr auf. Er hatte sich inzwischen so daran gewöhnt, dass er fürchtete, tatsächlich in der endlosen Nacht zu versinken, sollte ihm dieser Gedanke einmal nicht 193
    durch den Kopf gehen. Ängste. Die Ängste der Alten und Schwachen … Er schlummerte ein, doch das Flattern in seinem Herzen weckte ihn. Mit schweren Lidern kämpfte er sich einsam durch die Nacht.
    Kurz nach halb vier am Sonntagmorgen klingelte das grüne Telefon. Er zuckte zusammen: die vermaledeiten Schlächter von auswärts! Nachdem er sich den Sherry von der Unterlippe geleckt und sein Glas abgestellt hatte,

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