Aquila
das Leben nach?«, fragte Prosser leise im Konversationston.
Thornhill sah ihn von der Seite her an. »Wie meinen Sie das?
Leben … Ich habe kaum Zeit zum Nachdenken.«
»Die Zeit wäre gut genutzt gewesen. Ihr Leben war von Gewalt geprägt. Sie hätten darüber nachdenken sollen, welchen Sinn es für Sie hatte.« Sie kamen an dem großen Baum vorbei.
Plötzlich waren dicht vor ihnen auch die Umrisse des roten Pinto zu erkennen. Hinter dem Baum war vor langer Zeit ein Brunnen gegraben worden, mit einem Schindeldach und einer großen Winde. »Denken Sie, dass Sie fahren können, mein Lieber?« Prosser hatte einen sanften Ton angeschlagen, als würden sie sich seit Jahren kennen. »Sie fühlen sich nicht so toll? Bisschen schwach in den Knien? Na gut; Sie können hier übernachten. Geben Sie mir Ihre Wagenschlüssel … Ich stelle Ihr Auto in die Garage.«
»Danke.« Thornhill suchte seine Schlüssel und legte sie unsicher in Prossers Hand. »Ich glaube, ich muss kotzen …«
»Das können Sie gleich hier erledigen. Rein in den Brunnen damit!«
Als Thornhill über dem Brunnenrand lehnte und sich erbrach, drückte ihm Prosser die Mündung der großen Waffe sanft gegen den Hinterkopf und drückte ab. Der mehr oder weniger kopflose Körper sank über dem Brunnenrand zusammen. Prosser
bugsierte ihn ein Stück nach oben und ließ ihn in den feuchten dunklen Schacht fallen. Er hörte ein dumpfes, klatschendes Geräusch, als der Körper unten aufschlug.
Prosser holte tief Luft und lehnte sich an den Baum. Der Nachtwind hatte die Wolken von den blinkenden Sternen weggeblasen. Er fühlte sich viel besser. Am Morgen würde er eventuelle Spuren beseitigen. Jetzt musste er noch den blöden kleinen Pinto neben den Rolls in die Garage stellen und seinen müden alten Körper ins Bett verfrachten.
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Mein Gott – was für ein langer Tag …
Liam McGonigle saß in der mit Kunstleder gepolsterten Nische und sah auf den Parkplatz des Pfannkuchenrestaurants hinaus, sah das idiotische Reklameschild im Dunkeln leuchten, das um die nichtsahnend heimkehrende Sonntagsfamilie warb. Andrew Pennerty stocherte in den Resten eines Berges von in Sirup getränkten Heidelbeerpfannkuchen herum, wobei er abwesend und ausdruckslos kaute. Das Restaurant war erfüllt vom Lärmen quengeliger Kinder samt ihren gereizten Eltern. Ohne von seinem Partner gefragt zu werden, zog Liam ein Päckchen Alka Seltzer aus der Jackentasche und schob es über den Tisch.
Andrew nickte und schob seinen Teller zur Seite. Er warf die beiden weißen Scheiben in ein Glas Wasser und beobachtete, wie sie aufschäumten.
»Kein besonders glücklicher Tag für uns«, verkündete Andrew und hob sein Glas. »Ich kann mich überhaupt nicht an den letzten halbwegs erträglichen Tag im Einsatz mehr erinnern.«
Die Kohlensäurebläschen zerplatzten. »Aber es muss zu Präsident Kennedys Zeiten gewesen sein …« Er nahm einen langen, gemütlichen Schluck und wartete auf den erleichternden Rülpser. Sobald er sich eingestellt hatte, trank er sein Glas leer und wischte sich den weißen Schaum von den Lippen.
»Der Grund liegt auf der Hand«, sagte Liam leise. »Wir werden langsam zu alt für diesen Job. Aber der alte Herr wollte uns unbedingt haben. Ich kann ihn förmlich hören: Er hat schon mit uns gearbeitet, er braucht unser Fingerspitzengefühl, immer die alte Leier, und es hat funktioniert. Er hat uns gekriegt.« Er strich mit den kurzen sommersprossigen Fingern über sein stoppeliges Kinn und gähnte unverhohlen. »Wir gehören jedenfalls nicht hierher.«
»Weiß du was«, sagte Andrew finster, »ich sage es gar nicht gern, aber ich glaube, der alte Knabe hat seine große Zeit hinter sich. Er ist lange am Ball geblieben und hat eine Menge 233
interessanter Fälle gelöst – aber einmal kommt der Tag …« Er spießte wieder einen Bissen auf die Gabel. »Er hätte jüngere Leute anfordern sollen, nicht uns. Aber er wusste, mit uns kann er’s aufnehmen.« Er kaute mit ernstem Gesicht und beobachtete den Parkplatz. Heftiger Wind zerrte an den immergrünen Sträuchern vor dem Fenster. »Er hat sich überlebt, ihm fehlt der Kick.« Schweigend zündete er sich eine Zigarette an und winkte der Kellnerin um sich Kaffee nachschenken zu lassen.
Es war ein verheerender Tag gewesen. Zuerst der Anruf, der sie gezwungen hatte, ihre müden, schlappen Körper aus dem Bett zu heben. Dann die unappetitliche Szene in Brennans Haus: Der Leichnam des massigen russischen Agenten
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