Arabellas Geheimnis
vielleicht?“
Als würde der Schmerz sie überwältigen, wandte sie sich rasch ab. Dabei musste sie allein ihre Überraschung verbergen. Er hatte ihre eigentliche Absicht nicht erraten, doch – um bei der Wahrheit zu bleiben – er hatte sie nur knapp verfehlt.
„Nein. Ich habe keinen anderen Liebhaber, obwohl ich anfangs vielleicht mit Euch sprach, um meine Gedanken von einem grausamen Mann abzulenken, der mich verführt hat.“ Leise schluchzend drehte sie sich wieder zu ihm um und fand, dass er allem Anschein nach eine etwas mildere Haltung angenommen hatte.
„Er war ein Narr“, versicherte ihr der englische Ritter. Der goldene Schein des Kaminfeuers zauberte einen bronzenen Schimmer auf seine Muskeln.
„In Böhmen ließ mich ein Mann edlen Standes glauben, er wolle mich heiraten. Und ich ließ es törichterweise zu, dass er mir zu Hause den Hof machte.“ Beim Himmel, ihr Vater war ihr wirklich keine große Hilfe gewesen, diese Verbindung zustande zu bringen. De Clair glaubte, seine Schuldigkeit getan zu haben, indem er ihr sechs Jahre zuvor sein Heim geöffnet und sie mit seinem Namen beglückt hatte.
„Eine Heirat wird oft lange im Voraus vereinbart. Vielleicht hoffte Euer Vater, Ihr würdet Euch mit einem anderen verbinden.“
Mit jemandem, der weit unter ihr stand, natürlich. Doch so billig würde Rosalyn sich nicht verkaufen lassen.
„Ich weiß es nicht. Denn als ich Euch sah, vergaß ich alles, was den böhmischen Edelmann und die Wünsche meines Vaters betrifft.“ Sie streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern über seine Brust – ein höchst erfreulicher Zeitvertreib. Etwas in ihr regte sich, und es war nicht das ungeborene Kind.
Auf ihren weiblichen Instinkt vertrauend, streichelte sie seinen nackten Bauch bis zum Rand seiner Beinkleider und noch weiter. Erst da griff er nach ihr, um sie in ihrem Tun zu unterbrechen und hielt ihre Hand in der Luft fest.
„Ihr seid eine schöne Frau, Rosalyn.“ Die heisere Stimme des Ritters ließ sie hoffen. „Doch ich habe kein Land und keinen Titel. Eure Eltern wären nicht mit mir einverstanden.“
„Aber Ihr seid sehr anerkannt bei Eurem König. Eure Aufgabe hier beweist es. König Richard wird Euch belohnen, wenn Ihr ihm seine Braut bringt.“ Und, bei allen Heiligen, sie hatte ihre Wirkung auf ihn. Das konnte sie an der beeindruckenden Wölbung seiner Beinkleider sehen.
„Der englische König belohnt die Ritter, die Schlachten gewinnen, nicht die, welche die königliche Familie bewachen. Ich fürchte, ich werde keine solche Belohnung erhalten, ganz gleich, wie teuer die Prinzessin meinem Herrscher auch sein mag.“
Etwas an seiner Antwort klang falsch in Rosalyns Ohren. Sie hatte oft genug in ihrem Leben Lügen ausgesprochen, um eine zu erkennen, wenn sie sie hörte. Offensichtlich war Tristan ein starker Krieger. Wo eben noch Verlangen herrschte, erwachte jetzt der Zorn. Sie wollte unbedingt ihr Vorhaben zu Ende führen und gab sich große Mühe, ein paar Tränen fließen zu lassen.
„Ganz gleich, welche hübschen Worte Ihr mir auch an der Tafel sagtet, ich werde wieder zurückgestoßen.“ Mit einem erstickten Schrei stürzte sie zur Tür und hoffte, er würde sie zurückrufen. Sie blieb sogar auf der Schwelle stehen.
„Gute Nacht, Mylady.“ Seine Füße rührten sich nicht, bis Rosalyn gar nichts anderes übrig blieb, als zu gehen. Morgen würde sie es noch einmal versuchen. Vielleicht würde sie ihr Interesse auch auf Tristans zweiten Befehlshaber richten.
Als sie aus dem Gemach trat und leise die Tür hinter sich schloss, nahm sie ein unterdrücktes Keuchen im Gang wahr. Sie drehte sich um und sah Maria, die sie mit großen Augen anstarrte, um dann rasch den Blick zu senken. Beim Himmel, was für ein wundervoller Glücksfall!
Ihr Lächeln verbergend, täuschte Rosalyn Verlegenheit vor, während sie ihr Kleid richtete und sich falsche Tränen von den Wangen wischte.
„Oh, bitte, Edle Dame Maria“, bat sie. „Erzählt es niemandem.“
6. KAPITEL
In ihrem Bett räkelte Arabella sich zufrieden unter den warmen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster hineinfielen. Sie musste lange geschlafen haben, denn die Sonne stand bereits hoch. Sie erwachte nur ungern, ihre Träume waren so angenehm gewesen. Und absolut unpassend für eine Frau, die keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte.
Sie warf die Decken beiseite, ging zur Kammertür und spähte hinaus auf den Gang, gerade rechtzeitig, um die Edle Dame Hilda zu sehen, die
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