Arabellas Geheimnis
den böhmischen Edelfrauen. Doch von Arabella fühlte er sich auf besondere Weise angezogen, ganz gleich, wie sehr er sich dagegen auch wehrte.
Jetzt ertappte er sich dabei, dass er vor ihr den Höfling spielte, wo doch das, was er wirklich wollte, viel weniger keusch war.
„Ich sollte nicht bleiben.“ Ihre Augen jedoch erzählten ihm eine ganz andere Geschichte. Und ihre Füße – mit denen sie wie festgewachsen auf der dunklen Erde des felsigen Abhangs stehen blieb – erzählten sogar noch mehr.
Er würde die Situation nicht ausnutzen. Doch er konnte noch ein wenig mit ihr verweilen.
„Wir bleiben nur einen Augenblick. Würde es Euch nicht helfen, die Schritte unserer Tänze hier draußen zu lernen, wo es außer den Bäumen keine Zeugen gibt? Die großen Säle der Burgen des englischen Königs könnten weniger milde in ihrem Urteil sein.“
Sie biss sich auf die Lippen, und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Er wusste, dass er ein unfaires Spiel mit ihr trieb. Doch sie war es gewesen, die die Sicherheit der gräflichen Halle verlassen hatte. Sie selbst hatte sich in diese höchst schutzlose Lage gebracht.
„Muss ich meine Schuhe anbehalten?“
Tristan lachte. Ihr ungezähmter Geist wirkte wie Magie auf ihn. Sie würden auf so vielfältige Art zusammenpassen, dass ihn der Gedanke schmerzte.
„Nein. Ihr braucht Eure Schuhe nicht.“ Er zog Arabella einen Schritt näher. Mit dem Daumen streichelte er ihren Handrücken und genoss die Weichheit ihrer Haut. „Ihr erlaubt.“
Er hob Arabella hoch, nahm sie auf den Arm und schritt zum Rand der Lichtung. Sie wollte protestieren, verstand dann aber seine Absicht. Sanft setzte er sie auf einen großen flachen Felsen und kniete nieder, um ihr die Schuhe von den Füßen zu streifen.
„Ich mache Euch keinen Vorwurf, weil Ihr diese Schuhe loswerden wollt, die Ihr auf Befehl der Prinzessin alle tragen müsst.“ Er zwang sich, sie nur leicht zu berühren und legte die Hände um einen Knöchel, genau zwischen ihren Rocksaum und den Schuh. Es war nur eine winzige Stelle, an der er sie anfasste, doch das Wissen, wie leicht er sich mehr nehmen könnte, genügte, um der Berührung eine süße Leidenschaft zu verleihen.
„Ich …“ Arabella stockte der Atem, als er mit dem Finger über ihren Spann strich. „Die gekrümmten Zehen sind für mich etwas unangenehm.“
Rasch entledigte Tristan sie noch des anderen Schuhs, bevor sie vielleicht doch noch einen Rückzieher machte. Weiter würde er nicht gehen – zumindest heute Abend nicht.
„Hier ist der Boden eben.“ Er bot ihr den Arm und geleitete sie ein paar Schritte weiter zu einem Flecken ohne Bewuchs. „Bleibt bei mir, sonst tretet Ihr noch auf eine Wurzel oder einen abgebrochenen Ast.“
Nicht dass er vorhatte, sie lange genug loszulassen, damit sie sich überhaupt würde so weit entfernen können.
Er erklärte ihr die Tanzfiguren und machte einige Schritte, um sie ihr zu demonstrieren. Als sie bereit waren anzufangen, zögerte Arabella einen Moment.
„Was ist?“
„Was, wenn ich etwas falsch mache?“ Sie sah auf ihre Füße hinunter, seine, groß und in schweren Stiefeln, und ihre, klein und barfüßig. „Ihr werdet mir sicher den Fuß brechen.“
„Als meine Partnerin seid Ihr sicher.“ Tristan drückte ihre Hand. Er fühlte sich wieder daran erinnert, wie unschuldig sie war, trotz der sinnlichen Anziehungskraft, die sie besaß.
„Soll ich, um uns zu leiten, das Lied der Spielleute singen?“ Unter dem dunklen Himmel wirkten ihre Augen dunkler, und die Sterne spiegelten sich darin.
„Seid Ihr so begabt im Singen?“ Er konnte sich noch nicht einmal die Musik ins Gedächtnis rufen, geschweige denn, sie wiederholen. Doch von ihren Lippen erklang eine gesummte Melodie, leicht und süß.
Sanft lenkte er ihre ersten Schritte, und sogleich hüllte das Lied sie ein. Arabella folgte ihm leichtfüßig, obwohl sie zuerst den Blick nur auf ihre Füße richtete, während sie rund um die Lichtung tanzten. Als sie dann schließlich zu ihm aufschaute, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht.
Es raubte Tristan fast den Atem, als er ihre Freude wahrnahm. Sie so glücklich zu sehen, ließ ihn bereuen, dass er seinen Herrscher über die Gerüchte, die es ihretwegen gab, informieren musste. Tatsächlich fiel es ihm selbst in diesem Moment schwer, sie zu glauben.
Es verging einige Zeit, bis ihm bewusst wurde, dass Arabellas Lied geendet hatte und sie nicht mehr tanzten. Wie angefroren standen sie sich
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