Arabellas Geheimnis
keine Bedrohung für mich.“ Zornig, weil er sie nicht tun ließ, was sie wollte, versuchte sie ihm deutlich zu machen, dass er sie nicht einzuschüchtern vermochte.
„Wenn wir erst einmal in England sind, empfehle ich Euch eindringlich, Eure fragwürdige Abstammung zu verschweigen. Ich glaube nicht, dass mein König Eure Erziehung sehr amüsant finden wird.“ Als Tristan sie warnte, waren seine grauen Augen kalt wie Stein.
Arabella wandte sich schnell ab und sagte nichts mehr, während er sein Pferd zwischen den Bäumen hindurch lenkte. Wenn sie in Zukunft das Wagnis einging, Kräuter zu sammeln und Heilmittel herzustellen, würde sie sich einfach nahe bei Annes Wachposten aufhalten. Einerseits konnte sie es sich nicht leisten, nach Hause geschickt zu werden, andererseits konnte sie auch nicht ihre Berufung zur Heilerin einfach ignorieren. Ihr ganzes Leben lang hatte sie daran gearbeitet, eine gute Heilerin zu werden, und sie konnte nicht, wenn sie schon nicht mehr bei ihrer Familie sein durfte, auch das noch verlieren.
Wenn seine Landsleute sich ihrer Kunst gegenüber so misstrauisch verhielten, wie sie befürchtete, würde sie in Tristans Heimat ihr Können früh unter Beweis stellen müssen.
In Gedanken versunken bemerkte sie erst, als sie sich schon tief im Wald befanden und dichte Bäume die Sonne fast verdunkelten, dass sie nicht zum Anwesen der Gräfin zurückgekehrt waren.
„Wo reiten wir hin?“ Ihr Ärger verflog, als sie die üppig grünen Tannen um sie herum erblickte. Die unerwartete Gelegenheit, auf Erkundungstour zu gehen, erfüllte sie augenblicklich mit Freude.
„Ich fing schon an, mich zu fragen, wann es Ihnen auffallen würde.“ Tristan strich ihr das Haar von den Schultern, während das Pferd wegen einiger tückischer Baumwurzeln langsamer wurde. „Ich habe Euch heute nicht gesucht, um mit Euch zu streiten. Früh am Morgen entdeckte ich heute einen ungewöhnlichen Ort im Wald, der mich an Euch erinnert hat. Ich konnte nicht anders. Ich dachte, Ihr würdet ihn gerne sehen wollen.“
Neugierig blickte Arabella zu ihm auf, als er jetzt unter einem niedrigen Ast hindurchritt. Nun, da die Bäume so dicht standen, wurde es immer schwieriger, vorwärts zu kommen.
Ein Ort, der Tristan an sie erinnerte? Vielleicht ein Fleck voller Kräuter. Doch Arabella erkannte den Ort, den Tristan ihr zeigen wollte, im gleichen Augenblick, als sie ihn erreicht hatten. Und es war kein abgelegener Kräutergarten.
Eine Lichtung mit in der Mitte sorgfältig im Kreis gepflanzten Eichen grüßte ihre Augen. Dieser Ort ähnelte so gespenstisch dem Ring aus Eichen, an dem sie Tristan zum ersten Mal begegnet war, dass es Arabella kalt überlief. Doch dann überwältigte sie die Sehnsucht nach ihrem Zuhause so sehr, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Dabei war sie noch nicht einmal zwei Wochen fort von dort.
„Nun?“, fragte Tristan und musterte sie, um ihre Reaktion zu sehen. „Gefällt es Euch?“
„Natürlich. Ich vermisse nur mein Zuhause. Können wir es uns anschauen?“
Nachdem sie abgestiegen waren, eilte sie zu dem Ring. Sie war immer noch atemlos, als Tristan sich in dem schattigen Kreis zu ihr gesellte.
„Und ich glaubte, ich besäße den einzigen perfekten Ring aus Bäumen in der ganzen Welt. Ich stellte mir immer vor, mein Baumkreis müsse einen Zauber besitzen.“
Als Kind hatte sie innerhalb ihrer Bäume gespielt. Sie war nicht einsam gewesen. Ihre Mutter und auch ihre Großmutter hatten mehr Zeit mit ihr verbracht, als – und das wusste sie nun – viele adlige Eltern mit ihren Sprösslingen verbrachten. Und doch hatte sie sich oft nach einer Schwester oder einer Freundin ihres Alters gesehnt. Diese Sehnsucht war der Grund gewesen, weshalb sie so eine enge Verbindung mit dem Wald und der Natur eingegangen war. Ihre Großmutter hatte dies verstanden. Doch Arabella verriet Tristan nichts über dieses Gefühl. Sie fürchtete, er würde sie dann für närrisch halten. Als er nichts sagte, strich sie mit der Hand über einen der Baumstämme und drehte sich wieder zu dem Ritter um.
„Haltet Ihr es für seltsam, dass ich in Böhmen einen perfekten Kreis aus Eichen habe und dass es auch hier einen gibt?“ Sie setzte sich auf den Waldboden zu Füßen des Baumes.
„Nein. Ich glaube, dass beide ganz bewusst und aus dem gleichen Grund so gepflanzt wurden.“ Er nahm neben ihr Platz. Und während er weitersprach, beobachtete er fortwährend den Wald außerhalb des Baumkreises. Arabella
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