Arabellas Geheimnis
könnte nicht stimmen, wanderte Arabella durch Gräfin von Richts weitläufige Burg, anstatt in ihr Gemach zurückzukehren. In zwei Tagen würden sie aus Köln aufbrechen und ihren Weg nach England fortsetzen. Sie merkte, dass sie sich danach sehnte zu reisen, obwohl sie die langen Stunden in einer engen Kutsche hasste. Wenigstens wäre das Gefolge wieder unterwegs. Während der Tage in Köln hatte sie die meiste Zeit über das Gefühl, in den dicken Mauern zu ersticken. Noch nie hatte Arabella sich so weit weg von der Erde und den Kräutern gefühlt, die sie doch mit dem ausstatteten, was sie für ihre Arbeit benötigte.
Als die Gänge schmaler wurden und sie einen finsteren Teil der Burg erreichte, hörte sie in der Nähe einen Schmerzensschrei. Der gequälte Laut brach ab und erklang dann wieder, lauter als zuvor. Sie ging dem Geräusch nach und erinnerte sich dabei an ihre eigenen Schreie, als der fremde Mann sie in Prag gepackt hatte.
Eine Dienerin eilte an ihr vorbei, und Arabella hielt die Frau auf.
„Was ist los?“, fragte sie die Magd, die fast den Krug mit Wasser verschüttete, den sie trug.
„Es ist Marta. Eine Küchenmagd, Edle Dame. Sie bekommt heute Nacht ihr Kind und hat jetzt beständig Schmerzen. Die Gräfin kann nicht gestört werden, und wir wissen nicht, wer …“
„Ich bin eine Heilerin und kann helfen. Meine Kammer ist zwei Türen vom Gemach der Prinzessin entfernt. Glaubst du, du kannst es finden und mir den Lederbeutel neben meiner Schlafstatt bringen?“ Arabella nahm dem Mädchen den Krug aus der Hand und gab der jungen Frau einen sanften Stoß in die richtige Richtung. „Beeil dich. Ich werde mich um Marta kümmern.“
Arabella wunderte es nicht, dass ein Kind zurzeit des Vollmonds sich seinen Weg auf die Welt zu bahnen suchte und lief zu der Kammer, die ihr die Magd gezeigt hatte. Sie hatte harte Arbeit zu leisten, die noch dadurch erschwert wurde, dass das Kind falsch lag. Aber im Laufe der Nacht half sie zum ersten Mal ohne die Unterstützung ihrer Großmutter einem Baby auf die Welt.
Arabella empfand eine größere Befriedigung, als sie je im Leben erfahren hatte. In diesem Moment erkannte sie, dass sie ihre böhmische Heimat genau zur richtigen Zeit verlassen hatte. Jetzt war sie bereit, selbst Heilerin zu sein. Und sie wurde anderswo gebraucht. Es wäre selbstsüchtig gewesen, in dem kleinen böhmischen Dorf zu bleiben, in dem es bereits eine Heilerin gab. Sie musste das Können, das Zaharia ihr beigebracht hatte, dazu nutzen, um viele andere Menschen zu retten. Noch nie hatte sie sich so gesegnet gefühlt wie in dem Augenblick, als sie Martas schreienden Sohn in Händen hielt und ihn dem Küchenmädchen in die Arme legte, deren Augen ebenfalls mit Tränen gefüllt gewesen waren.
Glücklich, aber erschöpft, stolperte Arabella ein paar Stunden später aus der Kammer. Sie hatte Marta einen Kräutertrank verabreicht, damit sie besser schlafen konnte und das Kind der Obhut von Martas jüngerer Schwester übergeben, die den Rest der Nacht bei ihrer Schwester wachen würde. Auch die Gräfin hatte noch kurz das Geburtszimmer besucht und gesagt, sie würde am Morgen erneut nach dem Mädchen sehen.
Als Arabella jetzt auf dem Weg in ihre eigene Kammer war, lief ihr Rosalyn de Clair über den Weg, frisch wie eine gerade gepflückte Blume. Eine giftige Blume, rief Arabella sich ins Gedächtnis zurück.
„Ich gratuliere Euch, Arabella.“ Lächelnd blieb Rosalyn neben ihr stehen. „Wie ich hörte, habt Ihr heute Nacht eine der Küchenmägde von einem plärrenden Balg entbunden.“
„Ja.“ Arabella fasste ihren Kräuterbeutel fester. Wegen des Geredes über ihre Arbeit als Heilerin – sie hatte erfahren, dass man hinter ihrem Rücken über sie sprach – war sie vorsichtig.
„Vielleicht könnt Ihr auch Tristans Kind auf die Welt helfen, wenn ich ihm vor der nächsten Ernte einen hübschen Sohn schenken werde.“ Sie strich sich mit der Hand über den flachen Bauch. „Aber vielleicht ist es Euch auch unangenehm, Tristans Nachkommen zu entbinden, da Ihr selbst ihm zugetan wart.“
Rosalyn tätschelte leicht Arabellas Arm, bevor sie an ihr vorbei den Gang hinunterhuschte. Arabella blieb zurück und kämpfte mit einem Knoten im Magen und einem Herzen, das ihr bis zum Hals schlug.
Tristans Kind? Sie musste die Frau falsch verstanden haben. Und doch – hatte Rosalyn ihm nicht deutlich ihre Zuneigung gezeigt?
Arabella konnte sich nicht erinnern, wie sie ihr Zimmer gefunden
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