Arabiens Stunde der Wahrheit
mit dem Fastenbrechen geduldig gewartet, obwohl wir mit einiger Verspätung nach Sonnenuntergang bei ihm eintrafen. Der Befehlshaber der Südfront der Hizbullah hatte Âallen Grund, zufrieden zu sein. Seine Techniker hatten das System der »improvised explosive devices«, der geballten und geschickt ÂgetarntenSprengladungen am StraÃenrand, das inzwischen der ISAF-Truppe in Afghanistan die meisten Verluste zufügt, so perfektioniert, daà Israel â stets bedacht, die eigenen Verluste so niedrig wie möglich zu halten â unter Regierungschef Ehud Barak, dem höchstdekorierten Offizier von Zahal, sich zur Räumung des Grenzstreifens entschlossen hatte, den es immer noch zwischen Merjayoun und Bint Jbeil besetzt hielt. Die israelische Armee war den Tücken des »asymmetrischen Krieges«, wie man von nun an sagte, gewichen.
Der Rückzug wurde in der arabischen Welt gebührend bejubelt. In Europa nahm man von dieser strategischen Wende kaum Notiz, und ich selbst wurde erst darauf aufmerksam gemacht, als auf dem Kurfürstendamm von Berlin die Fahrer von einem Dutzend PerÂsonenwagen â ununterbrochen hupend und libanesische Fahnen schwenkend â mir mitteilten, daà sie die »Befreiung« des südlichÂsten Streifens der Zedernrepublik feierten. Neun Jahre später geleitete mich ein Vertrauensmann der schiitischen »Partei Gottes« in das gleiche Quartier, wo Nabil Qaouq zu einem ausführÂlichen Gespräch bereit war. Inzwischen, im Sommer 2006, hatte ÂIsrael nach einer Provokation der Hizbullah eine groÃangelegte StrafÂaktion durchgeführt. Den Anhängern des Scheikh Nasrallah sollte ein für allemal das Rückgrat gebrochen werden. Mit den schwerÂsten »Bunker-Bustern«, die aus den USA geliefert wurden, ging die israelische Luftwaffe gegen die Stellungen der Hizbullah vor. Gleichzeitig rollten Kolonnen der angeblich unverwundbaren Merkava-Panzer nach Norden.
Wie es geschehen konnte, daà die israelischen Vorposten an der Nordspitze von Metullah nicht wahrnahmen, daà ihre schiitischen Feinde Tunnelsysteme und ausgeklügelte Tarnstellungen bis zu hundert Meter tief in den felsigen Boden gebohrt hatten, wo doch jede Regung am Boden aus unmittelbarer Nähe und aus der Luft hätte erkannt werden müssen, bleibt weiterhin ein Rätsel. Ebensowenig verfügte der Mossad offenbar über ausreichende Kenntnis der eingebunkerten AbschuÃrampen, aus denen nach Ausbruch der Feindseligkeiten Hunderte von Katjuscha-Raketen über den OrtschaftenGaliläas bis zum Hafen Haifa niedergingen. Diesen Geschossen fehlte es an Präzision und Reichweite, aber auf die Verwendung von Fajr-Raketen, die nur aus Iran geliefert werden konnten, hatte man verzichtet, um die Waffenhilfe aus Teheran nicht allzu deutlich zu enthüllen. Katjuschas konnte man ja auf allen Waffenmärkten der Welt ohne groÃe Umstände erwerben.
Die Militärkommentatoren in Tel Aviv haben den miÃlungenen Vorstoà der eigenen Streitkräfte, der wohl bis zum Litani-Fluà geplant war, in aller Härte kritisiert. Die angebliche Fähigkeit der Air Force, eine Schlacht zu entscheiden, war wieder einmal sträflich überschätzt worden. Den Minen der Hizbullah hielten auch die Stahlwände der Panzer nicht stand. Vor allem gelang es der israelischen Infanterie nicht, im Nahkampf gegen die extrem beweglichen Schiiten nennenswerte Geländegewinne zu erzielen. Um die Ortschaft Bint Jbeil, weniger als zehn Kilometer von der Grenze entfernt, wurde drei Wochen lang gekämpft, ohne daà die schiitischen »Gotteskrieger« aus diesem »orientalischen Douaumont« vollends vertrieben wurden. Angesichts steigender Verluste und eines sich verdichtenden Raketenhagels entschloà sich die Regierung von Jerusalem, ihre Offensive einzustellen und â dank Vermittlung der Vereinten Nationen â den Rückzug auf die eigene Ausgangsstellung zu befehlen.
Ein israelischer Kollege hat mir später mitgeteilt, daà die Aktion im Südlibanon, die von langer Hand vorbereitet war, als Generalprobe für ein militärisches Vorgehen gegen die Islamische Republik Iran und deren Atomfabriken vorgesehen war. Den Amerikanern sollte vorgeführt werden, daà ein solcher Vernichtungsschlag durchaus realisierbar und sinnvoll sei. Nach dem Fiasko von Bint Jbeil ging von diesem schlecht geplanten Vorstoà jedoch
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