Arabiens Stunde der Wahrheit
den einstigen Verbündeten, verfügt aber mit seiner »Justice and Equality«-Bewegung nur bei den Rebellen des Darfur über eine solide Anhängerschaft. Die Amerikaner, die sich seinerzeit entrüstet zeigten, als Khartum im ersten US-Feldzug im Irak von 1991 gemeinsam mit Jemen, Jordanien und der PLO Yassir Arafats für Saddam Hussein Partei ergriffen hatte, verhalten sich seit dem Einzug Barack Obamas ins WeiÃe Haus zurückhaltender in ihrer Polemik gegen den vermuteten Wahlbetrug am oberen Nil als die Tugendbolde der Europäischen Union, die mit einer Gruppe von Kontrolleuren angereist sind. Diese »ExÂperten« für Menschenrechte, die sich anmaÃen, in diesem riesigenLand mit den Dimensionen eines Kontinents eine halbwegs glaubhafte Ãberwachung auszuüben, geben sich selbst der Lächerlichkeit preis, wenn sie auf »mangelnde internationale Standards, Âunzureichende Infrastruktur und die Ignoranz der Wähler« verweisen.
»Was bilden die Europäer sich eigentlich ein?« fragt der Libanese. »Sie plustern sich auf, wenn es gilt, ein paar afrikanische Potentaten oder Balkan-Partisanen unter Anklage zu stellen. Wird Âjedoch ein amerikanischer, russischer, chinesischer, israelischer Politiker nach den gleichen juristischen Kriterien gemessen? Warum gibt es keine europäische Kommission, die die Präsidentschaft Hosni Mubaraks, der seit fast dreiÃig Jahren immer wieder mit mehr als neunzig Prozent durch grobe Fälschung im Amt bestätigt wird, unter die Lupe nähme, von den mit den USA aufs engste verbündeten Dynasten Saudi-Arabiens ganz zu schweigen? Warum steht nicht längst der Oberst Qadhafi von Libyen vor dem Richter, nachdem er erwiesenermaÃen Zivilflugzeuge zum Absturz brachte und seinen Staatsterrorismus von Nordirland bis zu den Süd-Philippinen als skrupelloses, wenn auch dilettantisches Hobby betreibt? Ãber welche Autorität verfügt überhaupt dieses internationale Tribunal, dessen Ankläger sehr häufig von Staaten nominiert werden, die selbst die elementaren Menschenrechte mit FüÃen treten?«
Wir kommen überein, daà in früheren Epochen den Exzessen der Tyrannei viel schneller und reibungsloser ein Ende gesetzt wurde, als man den unterschiedlichsten Diktatoren eine Chance bot, mit ausreichender Apanage in einer komfortablen Villa an der Riviera die eigene Abdankung zu akzeptieren. Heute hingegen klammert sich jeder Despot in der Perspektive einer unbegrenzten Kerkerhaft nach Verurteilung in Den Haag mit immer neuen Massakern an seine erschütterte Machtposition.
»Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dem Internationalen Gerichtshof ihre Anerkennung aus guten Gründen verweigert«, fährt Boutros fort. Offenbar habe man in Washington nicht die Mordanschläge vergessen, mit denen die eigene CIA immer wiedermiÃliebige Politiker aus dem Weg geräumt hatte. Der in Europa umschwärmte John F. Kennedy hatte mehrfach versucht, Fidel Castro mit vergifteten Zigarren und anderen Zirkustricks umzubringen. Er hatte den unbequemen, aber redlichen Staatschef von Südvietnam, Ngo Dinh Diem, durch eine Offizierskamarilla ermorden lassen und den kongolesischen Nationalhelden Patrice Lumumba an dessen Henker ausgeliefert. Auf der AbschuÃliste, deren Aufstellung angeblich im WeiÃen Haus abgesegnet wurde, wären an prominenter Stelle der Karibik-Caudillo Trujillo, der Kongo-Tyrann Laurent Kabila, aber auch der integre chilenische General Schneider zu erwähnen, der sich geweigert hatte, am Militärputsch gegen Salvador Allende teilzunehmen.
Die internationalen Wahlbeobachter aus Europa verfügen in Khartum wie üblich über einen stattlichen Fuhrpark komfortabelÂster Landrover. Sie logieren in den Suiten des teuersten Hotels, eines Phantasiebaus, der einem monströsen Ei gleicht, von dem Âlibyschen Revolutionsführer Muammar el-Qadhafi gestiftet wurde und von ihm den programmatischen Namen »Burj el Fatah â Turm der Eroberung« erhielt.
Die relative MäÃigung, derer sich die US-Medien neuerdings gegenüber der Sudan-Republik Omar el-Bashirs befleiÃigen, lasse sich durch eine spezielle Rücksichtnahme erklären, so meint der Hoteldirektor. Zunächst war der Bandenkrieg in Darfur auf mirakulöse Weise abgeklungen, seit die aktivste Rebellenorganisation dieser Region, die »Justice and Equality«-Bewegung, in der sich vor
Weitere Kostenlose Bücher