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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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den einstigen Verbündeten, verfügt aber mit seiner »Justice and Equality«-Bewegung nur bei den Rebellen des Darfur über eine solide Anhängerschaft. Die Amerikaner, die sich seinerzeit entrüstet zeigten, als Khartum im ersten US-Feldzug im Irak von 1991 gemeinsam mit Jemen, Jordanien und der PLO Yassir Arafats für Saddam Hussein Partei ergriffen hatte, verhalten sich seit dem Einzug Barack Obamas ins Weiße Haus zurückhaltender in ihrer Polemik gegen den vermuteten Wahlbetrug am oberen Nil als die Tugendbolde der Europäischen Union, die mit einer Gruppe von Kontrolleuren angereist sind. Diese »Ex­perten« für Menschenrechte, die sich anmaßen, in diesem riesigenLand mit den Dimensionen eines Kontinents eine halbwegs glaubhafte Überwachung auszuüben, geben sich selbst der Lächerlichkeit preis, wenn sie auf »mangelnde internationale Standards, ­unzureichende Infrastruktur und die Ignoranz der Wähler« verweisen.
    Â»Was bilden die Europäer sich eigentlich ein?« fragt der Libanese. »Sie plustern sich auf, wenn es gilt, ein paar afrikanische Potentaten oder Balkan-Partisanen unter Anklage zu stellen. Wird ­jedoch ein amerikanischer, russischer, chinesischer, israelischer Politiker nach den gleichen juristischen Kriterien gemessen? Warum gibt es keine europäische Kommission, die die Präsidentschaft Hosni Mubaraks, der seit fast dreißig Jahren immer wieder mit mehr als neunzig Prozent durch grobe Fälschung im Amt bestätigt wird, unter die Lupe nähme, von den mit den USA aufs engste verbündeten Dynasten Saudi-Arabiens ganz zu schweigen? Warum steht nicht längst der Oberst Qadhafi von Libyen vor dem Richter, nachdem er erwiesenermaßen Zivilflugzeuge zum Absturz brachte und seinen Staatsterrorismus von Nordirland bis zu den Süd-Philippinen als skrupelloses, wenn auch dilettantisches Hobby betreibt? Über welche Autorität verfügt überhaupt dieses internationale Tribunal, dessen Ankläger sehr häufig von Staaten nominiert werden, die selbst die elementaren Menschenrechte mit Füßen treten?«
    Wir kommen überein, daß in früheren Epochen den Exzessen der Tyrannei viel schneller und reibungsloser ein Ende gesetzt wurde, als man den unterschiedlichsten Diktatoren eine Chance bot, mit ausreichender Apanage in einer komfortablen Villa an der Riviera die eigene Abdankung zu akzeptieren. Heute hingegen klammert sich jeder Despot in der Perspektive einer unbegrenzten Kerkerhaft nach Verurteilung in Den Haag mit immer neuen Massakern an seine erschütterte Machtposition.
    Â»Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dem Internationalen Gerichtshof ihre Anerkennung aus guten Gründen verweigert«, fährt Boutros fort. Offenbar habe man in Washington nicht die Mordanschläge vergessen, mit denen die eigene CIA immer wiedermißliebige Politiker aus dem Weg geräumt hatte. Der in Europa umschwärmte John F. Kennedy hatte mehrfach versucht, Fidel Castro mit vergifteten Zigarren und anderen Zirkustricks umzubringen. Er hatte den unbequemen, aber redlichen Staatschef von Südvietnam, Ngo Dinh Diem, durch eine Offizierskamarilla ermorden lassen und den kongolesischen Nationalhelden Patrice Lumumba an dessen Henker ausgeliefert. Auf der Abschußliste, deren Aufstellung angeblich im Weißen Haus abgesegnet wurde, wären an prominenter Stelle der Karibik-Caudillo Trujillo, der Kongo-Tyrann Laurent Kabila, aber auch der integre chilenische General Schneider zu erwähnen, der sich geweigert hatte, am Militärputsch gegen Salvador Allende teilzunehmen.
    Die internationalen Wahlbeobachter aus Europa verfügen in Khartum wie üblich über einen stattlichen Fuhrpark komfortabel­ster Landrover. Sie logieren in den Suiten des teuersten Hotels, eines Phantasiebaus, der einem monströsen Ei gleicht, von dem ­libyschen Revolutionsführer Muammar el-Qadhafi gestiftet wurde und von ihm den programmatischen Namen »Burj el Fatah – Turm der Eroberung« erhielt.
    Die relative Mäßigung, derer sich die US-Medien neuerdings gegenüber der Sudan-Republik Omar el-Bashirs befleißigen, lasse sich durch eine spezielle Rücksichtnahme erklären, so meint der Hoteldirektor. Zunächst war der Bandenkrieg in Darfur auf mirakulöse Weise abgeklungen, seit die aktivste Rebellenorganisation dieser Region, die »Justice and Equality«-Bewegung, in der sich vor

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