Arabiens Stunde der Wahrheit
allem die gefürchteten Stammeskrieger des Zaghawa-Volkes sammelten, mit der Regierung von Khartum einen Waffenstillstand vereinbarte.
Im Jahr 2005 war es sogar zwischen Khartum und der »sudanesischen Volksbefreiungsarmee« des General Garang, der weitaus mächtigsten Rebellengruppe des Südens, nach zwanzigjährigem Bürgerkrieg zu einem Friedensschluà gekommen. Er gewährte den christlich-animistischen Niloten weitgehende Autonomie und sah für das Jahr 2011 ein Referendum über ihre volle Unabhängigkeit vor. In der Zwischenzeit hatte John Garang â bis zu seinem tödÂlichenHubschrauberunfall â, dann sein Nachfolger Salva Kiir als stellvertretender Staatschef des Sudan amtiert. Wie alle Beobachter ist Boutros davon überzeugt, daà sich eine erdrückende Mehrheit der Südisten für die Eigenstaatlichkeit aussprechen würde. Schon war ihnen die Hälfte der Gewinne aus der nationalen Erdölproduktion zugestanden worden, was in der Umgebung General Bashirs als unerträgliche Konzession empfunden wird.
Mein libanesischer Gesprächspartner hatte unlängst die Stadt Juba aufgesucht, aus der sich die Garnisonen der Nordarmee seit 2005 zurückgezogen haben. In dieser neuen Metropole der »Befreiungsbewegung« muà sich seit meinem Aufenthalt im Jahr 2004 ein phänomenaler Wandel vollzogen haben. Die internationalen Petroleumkonzerne wetteifern dort mit ihren Entwicklungsprojekten. Es ist ein stattliches Verwaltungszentrum aus dem Boden geschossen, und die Reisenden sind nicht länger auf die stinkenden Kraals des ehemaligen »Funduk-Salam« angewiesen.
In den Ministerien von Khartum registriert man mit verhaltener Wut, daà die amerikanischen Ãlkonzerne sich lebhaft um die Gunst der südlichen Separatisten bemühen. Schon ist der Streit um die Grenzziehung entbrannt, denn die reichsten Ãlfelder finden sich im südlichen Umkreis jener provisorischen Demarkationslinie, die quer durch die Sümpfe des Bahr el Ghazal verläuft. Die Amerikaner würden versuchen, die Pipeline, die die Chinesen nach Nordosten in Richtung Bur Sudan am Roten Meer ausgebaut hatten, durch ein in gegensätzlicher Richtung nach Südosten verlaufendes Röhrensystem zu konterkarieren und das schwarze Gold des Sudan zur eigenen Nutzung in Richtung Kenia und den dortigen Hafen Mombassa umzudirigieren, so wird gemutmaÃt. Im Grunde bleibt Präsident Omar el-Bashir, der sich mit der Aufspaltung seiner Republik nur schwer abfinden kann, jetzt lediglich die Hoffnung, daà die abtrünnigen Nilotenstämme, die in erbitterter Erbfeindschaft verharren, sich gegenseitig befehden und lähmen, daà in Juba allenfalls ein neuer »failed state« entstünde und die Verlegung einer zusätzlichen Pipeline am extrem schwierigen Terrain des Rift-Valley scheitern würde.
Beim Ziehvater Osama Bin Ladens
Khartum, April 2010
Derdeutsche Botschafter in Khartum hat mir vorgeschlagen, dem geistlichen Oppositionsführer, Scheikh Hassan el-Turabi, einen Âgemeinsamen Besuch abzustatten. Das war eine mutige Entscheidung angesichts der im Westen vorherrschenden Ãberzeugung, dieser Korangelehrte inspiriere den islamischen Extremismus im Sudan. Die Befürchtung kam jedoch bei mir auf, daà die GeÂgenwart des offiziellen Vertreters der Bundesrepublik den Gedankenaustausch in konventionelle Bahnen lenken würde und wir im Informationsgespräch über die üblichen Allgemeinplätze nicht hinÂauskämen.
Da gab es eine ganz andere Möglichkeit â dank eines Vertrauten dieses Korangelehrten, der angeblich den Muslimbrüdern nahesteht und mit Turabi sympathisiert â, wenn schon nicht in die letzten Geheimnisse der islamischen Kampfbünde einzudringen, so doch eine offene Aussprache herbeizuführen. Dabei lieÃe sich mancher interne Aspekt der aktuellen Auseinandersetzung erhellen, die die gesamte Umma â von Marokko bis Indonesien â zutiefst bewegt und immer neu spaltet.
Ibrahim es-Zayat ist der ideale Mittelsmann. Aus welchen Gründen der deutsche Verfassungsschutz diesem Sohn eines Ãgypters und einer OstpreuÃin nachstellt, seine beruflichen Akten beschlagnahmte und die von ihm geleitete »Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.« aus den interreligiösen Integrationsrunden des Innenministeriums ausschloÃ, bleibt mir weiterhin unverständlich. Da ich mich nicht in
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