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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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allem die gefürchteten Stammeskrieger des Zaghawa-Volkes sammelten, mit der Regierung von Khartum einen Waffenstillstand vereinbarte.
    Im Jahr 2005 war es sogar zwischen Khartum und der »sudanesischen Volksbefreiungsarmee« des General Garang, der weitaus mächtigsten Rebellengruppe des Südens, nach zwanzigjährigem Bürgerkrieg zu einem Friedensschluß gekommen. Er gewährte den christlich-animistischen Niloten weitgehende Autonomie und sah für das Jahr 2011 ein Referendum über ihre volle Unabhängigkeit vor. In der Zwischenzeit hatte John Garang – bis zu seinem töd­lichenHubschrauberunfall –, dann sein Nachfolger Salva Kiir als stellvertretender Staatschef des Sudan amtiert. Wie alle Beobachter ist Boutros davon überzeugt, daß sich eine erdrückende Mehrheit der Südisten für die Eigenstaatlichkeit aussprechen würde. Schon war ihnen die Hälfte der Gewinne aus der nationalen Erdölproduktion zugestanden worden, was in der Umgebung General Bashirs als unerträgliche Konzession empfunden wird.
    Mein libanesischer Gesprächspartner hatte unlängst die Stadt Juba aufgesucht, aus der sich die Garnisonen der Nordarmee seit 2005 zurückgezogen haben. In dieser neuen Metropole der »Befreiungsbewegung« muß sich seit meinem Aufenthalt im Jahr 2004 ein phänomenaler Wandel vollzogen haben. Die internationalen Petroleumkonzerne wetteifern dort mit ihren Entwicklungsprojekten. Es ist ein stattliches Verwaltungszentrum aus dem Boden geschossen, und die Reisenden sind nicht länger auf die stinkenden Kraals des ehemaligen »Funduk-Salam« angewiesen.
    In den Ministerien von Khartum registriert man mit verhaltener Wut, daß die amerikanischen Ölkonzerne sich lebhaft um die Gunst der südlichen Separatisten bemühen. Schon ist der Streit um die Grenzziehung entbrannt, denn die reichsten Ölfelder finden sich im südlichen Umkreis jener provisorischen Demarkationslinie, die quer durch die Sümpfe des Bahr el Ghazal verläuft. Die Amerikaner würden versuchen, die Pipeline, die die Chinesen nach Nordosten in Richtung Bur Sudan am Roten Meer ausgebaut hatten, durch ein in gegensätzlicher Richtung nach Südosten verlaufendes Röhrensystem zu konterkarieren und das schwarze Gold des Sudan zur eigenen Nutzung in Richtung Kenia und den dortigen Hafen Mombassa umzudirigieren, so wird gemutmaßt. Im Grunde bleibt Präsident Omar el-Bashir, der sich mit der Aufspaltung seiner Republik nur schwer abfinden kann, jetzt lediglich die Hoffnung, daß die abtrünnigen Nilotenstämme, die in erbitterter Erbfeindschaft verharren, sich gegenseitig befehden und lähmen, daß in Juba allenfalls ein neuer »failed state« entstünde und die Verlegung einer zusätzlichen Pipeline am extrem schwierigen Terrain des Rift-Valley scheitern würde.
    Beim Ziehvater Osama Bin Ladens
    Khartum, April 2010
    Derdeutsche Botschafter in Khartum hat mir vorgeschlagen, dem geistlichen Oppositionsführer, Scheikh Hassan el-Turabi, einen ­gemeinsamen Besuch abzustatten. Das war eine mutige Entscheidung angesichts der im Westen vorherrschenden Überzeugung, dieser Korangelehrte inspiriere den islamischen Extremismus im Sudan. Die Befürchtung kam jedoch bei mir auf, daß die Ge­genwart des offiziellen Vertreters der Bundesrepublik den Gedankenaustausch in konventionelle Bahnen lenken würde und wir im Informationsgespräch über die üblichen Allgemeinplätze nicht hin­auskämen.
    Da gab es eine ganz andere Möglichkeit – dank eines Vertrauten dieses Korangelehrten, der angeblich den Muslimbrüdern nahesteht und mit Turabi sympathisiert –, wenn schon nicht in die letzten Geheimnisse der islamischen Kampfbünde einzudringen, so doch eine offene Aussprache herbeizuführen. Dabei ließe sich mancher interne Aspekt der aktuellen Auseinandersetzung erhellen, die die gesamte Umma – von Marokko bis Indonesien – zutiefst bewegt und immer neu spaltet.
    Ibrahim es-Zayat ist der ideale Mittelsmann. Aus welchen Gründen der deutsche Verfassungsschutz diesem Sohn eines Ägypters und einer Ostpreußin nachstellt, seine beruflichen Akten beschlagnahmte und die von ihm geleitete »Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.« aus den interreligiösen Integrationsrunden des Innenministeriums ausschloß, bleibt mir weiterhin unverständlich. Da ich mich nicht in

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