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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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fortfuhren, ihre nigerianischen Haussa-Soldaten im strengen britischen Exerzierreglement zu drillen, das die Afrikaner mit dem ihnen angeborenen Sinn für Rhythmus mit der Perfektion eines Balletts nachahmten.
    Ich weiß nicht mehr, aus welchem Grunde am Abend vor meiner Abreise nach Lagos ein großes Fest im Casino veranstaltet wurde. War es Galgenhumor oder Trotz? Mit zunehmendem Genuß von Whisky und Gin gerieten die Offiziere, die mit ihren angetrauten englischen Frauen im komfortablen militärischen Compound lebten, außer Rand und Band. Sie verzichteten auf die ihnen anerzogene »stiff upper lip«, führten wilde Tänze auf, hoben ihre ebenfallsentfesselten Frauen auf die Schultern, täuschten Reiterkämpfe vor. Das Ganze vollzog sich bei dröhnendem Gesang. Diese Männer gehörten einem Regiment an, das die Italiener aus Äthiopien vertrieben hatten. Sie waren durch die Verteidigungslinie Marschall Rommels bei El Alamein hindurchgestoßen und hatten in Italien gekämpft. Am folgenden Morgen würden sie ihre steife Korrektheit und ihre unterkühlte Arroganz wiedergefunden haben.
    El Qaida bei den Tuareg
    Es ist durchaus nicht meine Absicht, die Sahelzone als »Schlachtfeld der Zukunft« zu bezeichnen, aber es hat seit geraumer Zeit zu rumoren begonnen im ganzen Sudan-Gürtel. Diese ersten tektonischen Erschütterungen im weiten Umfeld der Sahara nimmt man in Washington, in Paris, in London viel hellhöriger auf als in Berlin, wo das lautstarke Bekenntnis zum globalen Engagement mit einer betrüblichen Provinzialisierung der außenpolitischen Wahrnehmung einhergeht. Die deutsche Öffentlichkeit hatte diese Region nur kurzfristig wahrgenommen, als eine Gruppe von deutschen Abenteuertouristen sich in die grandiose Felslandschaft vorgewagt hatte, wo die Grenzen Algeriens, Libyens und Nigers sich überschneiden. Sie wurden dort von islamistischen Glaubenskämpfern gefangengenommen, wohl in der Erwartung, daß für die Befreiung dieser Geiseln aus der Bundesrepublik ein sattes Lösegeld bezahlt würde. Mit Ausnahme einer Frau, die den Strapazen des Gewaltmarsches durch Sand und Geröll erlag, sind alle anderen unbeschadet davongekommen und haben berichtet, daß sie von den Guerilleros der Sahara in keiner Weise mißhandelt oder gedemütigt wurden. Die Partisanen, die mit dem erpreßten Geld Waffen kaufen wollten, beabsichtigten wohl auch, den aufkeimenden Tourismus in den Sahel-Staaten zum Schaden der dortigen Regierungen zum Erliegen zu bringen.
    DieKidnapper operierten unter einem schwer verständlichen Namen. Sie bezeichneten sich als »salafistische Bewegung für Predigt und Heiligen Krieg«. Die »Salafiya« der Altvorderen, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von dem allseits geschätzten Religionslehrer Scheikh Mohammed Abduh die Rückführung des Islam von wild wuchernden Fehlinterpretationen auf den koranischen Urtext gepredigt hatte, wurde in der Zwischenzeit zu einer gewalttätigen Ausweitung mißbraucht und zunehmend von radikalen Eiferern in Anspruch genommen.
    Die Sahara und die schutzlose Steppenlandschaft des Sahel bieten geringe Möglichkeiten, sich zu tarnen und der Aufspürung durch Aufklärungsflugzeuge zu entziehen, so daß die Salafisten sich in kleine »Kataeb« aufspalten mußten. Um internationale Wirkung zu erzielen, haben sie sich umbenannt und treten neuerdings unter dem ominösen Begriff »El Qaida des islamischen Maghreb« auf. Damit geben sie zu erkennen, daß sich ihre umstürzlerische Tätigkeit nicht nur gegen die mehr oder weniger despotischen Regime ihrer Region richtet, sondern gegen alle Dik­taturen Nordafrikas, die sich von Mauretanien und Marokko über Algerien, Tunesien und Libyen bis nach Ägypten aneinanderreihen.
    Daß diese »Gotteskrieger« überleben und sich allmählich sogar verstärken konnten, verdanken sie vor allem dem neu erwachten kriegerischen Instinkt der Tuareg und den Subsidien des libyschen Diktators Qadhafi. Diese Nomaden waren mit der Gründung postkolonialer afrikanischer Staaten neuen schwarzen Führungsschichten aus Völkerschaften unterworfen, die ihnen einst als Sklaven gedient hatten. In den Republiken Mali, Niger und Tschad entstanden am Rande der Wüste völlig autonome, von den Behörden in Bamako, Niamey oder Ndjamena unkontrollierte Zonen, wo die verschleierten Kamelreiter eine

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