Arabische Nächte
sich zu empfehlen. »Sie müssen wiederkommen ... einmal.«
»Sehr gern.« Am St. Nimmerleinstag, argwöhnte Japonica. Als sie zur Tür ging und Laurel den Abschluss bildete, hörte sie, wie Fernlow zu Hyacinthe sagte: »... ein sehr erbaulicher Nachmittag, Miss Hyacinthe!« Es schien ihn nicht zu stören, dass er beim Sprechen zu ihr aufblicken musste. »Ich werde mich sehr freuen, wenn Sie mir die Unterlagen Ihres Vaters über Sorten aus dem Orient schicken.«
»Ich wüsste keinen Würdigeren, dem Vater sie hätte zukommen lassen wollen.« Hyacinthe errötete wie ein Schulmädchen. »Allerdings könnte es schwierig für Sie werden, seine gekritzelten Randbemerkungen zu entziffern ...«
»Hoffentlich darf ich auf Ihre Hilfe zählen, falls diese nötig sein sollte.«
»Aber gewiss, Sir!«
Angesichts von Lady Hepples Ausführungen über ihren Sohn hatte Japonica das Gefühl, dass er sein an Hyacinthe bezeigtes Interesse aufrichtig meinte. Nun ja, eheliche Verbindungen waren schon auf Grund geringfügigerer Gemeinsamkeiten als der Liebe zur Botanik geschlossen worden.
Die Erkenntnis, dass sie von Liebe und Ehe so gut wie keine Ahnung hatte, traf sie so plötzlich wie der vor dem Haus der Hepples am Berkeley Square vom Wind aufgewirbelte Schnee.
Neugierde und Ablenkungen hatten sie in der Höhle des Hind Div leichtsinnig werden lassen. Mitleid hatte sie bewogen, die Ehe mit einem Mann einzugehen, den sie respektierte und schätzte, unter anderen Umständen aber niemals geheiratet hätte. Falsch verstandenes Pflichtgefühl hatte sie bewogen, ihren Sohn zu verlassen, um die Zukunft fünf undankbarer Mädchen zu ordnen, die von ihrem Eingreifen aber erst noch profitieren mussten. Und als Rechtfertigung dafür, dass sie sich in die Arme eines Mannes geflüchtet hatte, den sie eigentlich verabscheuen sollte, wollte ihr nurder schiere Wahnsinn einfallen.
Ach, was für eine Crux! Sie verabscheute ihn nicht, sondern empfand - nein, sie durfte nicht definieren, was sie empfand, damit sie nicht wirklich verrückt wurde.
Japonica wandte den Kopf ab, als der Kutscher vortrat, um den Wagenschlag zu öffnen. Eine Träne war ihr entschlüpft und floss ihr still über die Wange. »Ich laufe lieber ein Stück«, sagte sie wie im Selbstgespräch und zog auch schon los, in die erhellte Dämmerung des verschneiten Nachmittags.
»Du dummes, albernes Ding!«, schalt Hyacinthe Laurel, nachdem diese ihr anschaulich beschrieben hatte, was sich in Lady Hepples Salon zugetragen hatte.
»Du hast keine Ursache, mich abzukanzeln!«, gab Laurel zurück und setzte sich in den Polstern zurecht. »Ich tat es für uns.«
»Für uns? Ist dir nicht klar, was du angerichtet hast? Indem du ihren Ruf zerstörst, lenkst du den Skandal auf uns! Es kann gut sein, dass wir nirgends mehr eingeladen werden!«
»Du übertreibst«, erwiderte Laurel von oben herab. »Sobald sie merkt, dass die Gesellschaft sie mit einem Bannfluch belegt, wird sie aus London verschwinden, und wir etablieren uns rasch wieder. Schließlich bedeutet sie uns nichts.«
»Ach, du hast ja keine Ahnung!«, gab Hyacinthe aufgebracht zurück. »Du bist unwissend und arrogant! Ich sagte immer schon, dass dein ungezügeltes Temperament einmal deinen sehr begrenzten Verstand ausschalten würde. Wie ich sehe, habe ich Recht behalten. Sollte deine dumme Einmischung mich den Verkehr mit Lady Hepple kosten, werde ich es dir nie verzeihen. Unsere Stiefmama mag ja nicht ganz unser Fall sein, doch war sie immer sehr großzügig und alles in allem hilfreich.« Sie nickte zur Bekräftigung ihrer Ausführungen. »Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht!«
»Deine Predigten kannst du dir sparen! Ich bin ja nicht diejenige, die Geheimnisse hat! Nicht ich verführte Lord Sinclair unter unserem Dach und tue so, als wäre ich eine Ranghöhere, obwohl ich nur eine Dirne bin!«
»Wovon redest du eigentlich?«
»So, jetzt habe ich deine Aufmerksamkeit. Ich weiß Dinge, ... Dinge, die sie angestrengt vor uns geheim hält!«
»Ich frage mich, woher du dieses Wissen hast. Horchst du an Schlüssellöchern? Stiehlst du oder lügst, oder schleichst womöglich herum und spionierst? Wahrlich lobenswerte Eigenschaften an einer vornehmen jungen Dame!«
»Kümmere dich nicht um mein Benehmen. Willst du wissen, was ich weiß? Also: Unsere liebe Stiefmama hat ein uneheliches Kind.«
Hyacinthe riss die Augen so heftig auf, dass sie aus den Höhlen zu fallen drohten. »Du lieber Gott! Sag, dass es nicht
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