Arabische Nächte
schätzen wissen, die die Welt mit ihm durchstreift; doch sage ich ihm immer, dass keine echte Dame ...« Lady Hepple errötete so sehr, dass die Farbe ihrer Wangen sich mit ihrem bronzefarbenen Taftkleid biss.
»Ich gebe Ihnen Recht, Lady Hepple. Keine Dame würde sich in der Wildnis wohl fühlen.« Laureis Lächeln zierte ein Sahnefleck des Kuchens, den sie eben verspeist hatte. »Da ist unsere liebe Stiefmama aus ganz anderem Holz geschnitzt, Lady Hepple. Menschen wie sie blühen in fremden Ländern förmlich auf. Noch eine Generation, und sie unterscheiden sich in nichts mehr von den Heiden.«
»Also wirklich!«, stammelte Lady Hepple. »Das wollte ich damit nicht sagen.«
»Aber es stimmt. Haben Sie es nicht in der Zeitung gelesen? Unsere liebe Stiefmama zieht die Gesellschaft des persischen Botschafters allen zivilisierten Vergnügungen, die London bietet, vor.« Laureis Ton war süß wie die Zuckerglasur des soeben verdrückten Kuchens. »Ich hörte, dass er sich einen Harem hält; außerdem sollen seine Diener Tag und Nacht Krummsäbel tragen und drohen, jeden zu enthaupten, der ihrem Gebieter nicht die gebührende Ehrerbietung erweist. Ich nehme an, Stiefmamas Billigung barbarischer Gepflogenheiten rührt daher, dass sie in der Fremde aufwuchs.« Sie sah Japonica hasserfüllt an. »Sag schon, Stiefmama - ist der Mirza unter vier Augen auch so eindrucksvoll, wie er in der Öffentlichkeit erscheint?«
Mit einem Laut, der wie ein ersticktes Aufstöhnen klang, griff ihre arme Gastgeberin nach ihrer Tasse, wobei sie einen Gutteil des Inhalts auf ihr Kleid verschüttete, als sie diese zu hastig an die Lippen führte.
Als Almina ihre Serviette anbot, um den Schaden einzudämmen, warf Laurel ihrer Stiefmutter einen zweiten, diesmal siegesgewissen Blick zu.
Japonica wäre Laureis Bosheit nicht so hilflos ausgesetzt gewesen, hätte sie nicht so heftig unter ihrem Liebeskummer gelitten; deshalb kümmerte es sie nicht, nach allen Regeln de£ Kunst bloßgestellt zu werden, noch dazu vor Menschen, deren Wohlwollen sie sich nicht verscherzen durfte. Ihre Gedanken weilten nämlich ganz woanders.
Zwei Wochen! Und kein Wort! Keine Nachricht, keine Karte oder eine einzige Blume waren von Lord Sinclair seit dem Abend gekommen, als er sie nicht zu dem Opernbesuch abgeholt hatte. Ihr blieb der einzige Schluss, dass er sie verlassen hatte.
Niemand, mit dem sie sprach, hatte ihn gesehen oder von ihm gehört. Für sein Verschwinden schien es nur zwei Erklärungen zu geben. Er hatte sein Gedächtnis wiedererlangt und mit diesem war die Verachtung für sie von neuem erwacht. Oder aber ihre gemeinsame Nacht hatte sein von Eifersucht auf Mirza Hassan angestacheltes Verlangen so endgültig befriedigt, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte.
Sie konnte sich nicht entscheiden, welche Version sie für die schlimmere hielt. Beide weckten in ihr den Wunsch, sich auf den Teppich zu werfen und sich bis zur Erschöpfung den Tränen hinzugeben.
»Ich möchte wirklich wissen, was Fernlow treibt«, bemerkte Almina, als ihre Mutter sich wieder gefasst hatte. »Nichts ödet mich mehr an als die botanischen Belehrungen meines Bruders. Die arme Hyacinthe wird vor Langeweile sterben, wenn er sie sich als Opfer auserkor.«
»Nichts könnte irriger sein, Miss Almina!« Hyacinthe erschien mit dem Honorable Fernlow Hepple in der Tür. »Ich verbrachte eine lehrreiche halbe Stunde inmitten Ihrer Rosenpracht, Lady Hepple. Es war einfach wundervoll!«
Hyacinthes warmherziger Ton bewirkte, dass Japonicas gleichgültiger Blick zu dem Gentleman wanderte, der ihre älteste Stieftochter begleitete. Mittelgroß und von leichter Statur, war der Hepple-Spross in schlichtes Schwarz gekleidet. Schüttere, einem Heiligenschein gleichende Locken umrahmten das ernste, aber angenehme Gesicht eines Mannes, der eher der Pflanzenwelt als dem allgemein beliebten Pferdesport verbunden war. Seiner würdigen Aura mangelte es freilich an Spiritualität, da es sich bei seinem hehren Ziel einfach um die Züchtung der vollkommenen rosa Rose handelte, wie seine Mutter mehrfach erwähnt hatte.
Japonica wollte nicht warten, bis ihre Gastgeberin sich als Erste erhob, und stand auf. »Lady Hepple, wir müssen gehen. Sie sind die Langmut in Person, weil Sie unsere Gesellschaft so geduldig ertragen haben!«
»Sie können sicher sein, dass mir nichts dergleichen abgefordert wurde, Lady Abbott.« Lady Hepple schien dennoch erleichtert, dass ihre Gäste Anstalten machten,
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