Arabische Nächte
anderes erwarten.«
»Sie ist keine Inderin.« Laurel verkündete es mit überheblicher Miene. Nur den Briefen ihrer neuen Stiefmutter an den Familienanwalt war es zu verdanken, dass sie etwas über sie wussten. »Sie ist englischer Herkunft.«
»Ja, aber aus was für einer Familie?« Auch Hyacinthe hatte die Berichte gelesen. »Kaufleute!« Ihr schauderte. »Denkt an meine Worte. Sicher bringt sie Krämerladenduft mit.«
»Zweifellos erwartete sie sich durch die Heirat gesellschaftlichen Aufstieg«, setzte Laurel hinzu.
»Vielleicht glaubt sie sogar, dass sie jetzt über uns steht«, rief Alyssum aus.
»Genau!«, erklärte Laurel. »Wenn wir nicht zum ersten Schlag ausholen, werden wir bald nach ihrer Pfeife tanzen. Das muss verhindert werden.«
»Aber wie?« Peony kratzte sich heftig am Kopf, worauf ihre Schwestern vor ihr zurückwichen.
»Hast du wieder Läuse?«, fragte Alyssum besorgt.
»Nein«, antwortete Peony rasch, obwohl sie es nicht hätte beschwören können. Ihre Vorliebe für Wald und Stall brachte eine ständige Läuseplage mit sich.
»Du solltest gar nicht hier sein«, sagte Cynara verächtlich. »Lenora Parkinsons kleine Schwester bleibt immer im Kinderzimmer und darf nur zu den anderen, wenn ausdrücklich nach ihr geschickt wird. Geh sofort hinauf!«
»Das tue ich nicht, und du kannst mich nicht zwingen!«, keifte Peony.
Cynara drohte ihr mit geballten Fäusten. »Und ob ich das kann!«
»Schwestern, bitte!« Hyacinthe klopfte mit der Gabel an den Teller. »Reicht es nicht, dass wir uns mit dieser Person befassen müssen?«
»Ich glaube, ich habe ein Mittel gegen unsere neue Stiefmama gefunden.« Laureis Blick wanderte um den Tisch. Sie strahlte spitzbübisch, als sie die entsetzten Gesichter der anderen sah. »Wir werden den neuen Viscount um seinen Schutz bitten.«
»Aber wir kennen ihn doch gar nicht«, wandte Alyssum ein.
»Eine reine Formalität. Schließlich ist er ein weitläufiger Verwandter. Und unverheiratet!« Laurel beugte sich so eifrig über den Tisch, dass die Fülle aller Reize, die ihr tief ausgeschnittenes Kleid enthüllte, voll zur Wirkung kam. »Und daher für weibliche Überredungskünste offen!«
»Ein allein stehender Gentleman mit Titel und Vermögen darf sich seiner Verpflichtung gegenüber verwaister Angehöriger nicht entziehen«, gab Hyacinthe ihr Recht.
»Die Vorgehensweise erfordert einige Überlegung«, warf Alyssum ein, wiewohl als Dritte in der Reihe heiratsfähiger Schwestern chancenlos, sich den unbekannten Viscount zu angeln. Nicht, dass es ihr etwas ausmachte. Der neue Pfarrherr in Ufton Nervet, ein Mister Charles Repington, hatte bei ihr einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen. Und wenn sie sich nicht sehr irrte, hatte der ernste und recht hübsche jüngste Sohn eines Baronet ihren Blick um einen Bruchteil länger als nötig festgehalten, als sie vor einer Woche nach dem Gottesdienst einander vorgestellt worden waren. Als Unterhalt hatte er angeblich an die tausend Pfund im Jahr zur Verfügung! Dieses kleine Geheimnis hegte sie zum Ausgleich für den unerreichbaren Viscount in ihrem Herzen.
»Nach allem, was wir wissen, ist der neue Viscount schon tattrig und senil«, erklärte Cynara, immer bereit, ein Haar in der Suppe zu finden.
Laureis Lächeln strahlte unverändert Selbstzufriedenheit aus. »Er soll nicht älter als dreißig sein - ein hoch dekorierter Offizier, der vor kurzem in Kalkutta aus der Armee entlassen wurde!«
»Ein S-soldat?«, hauchte Peony mit glänzenden Augen. »Ich liebe Gentlemen in roter Uniform.«
»Ende des Monats wird er in London erwartet«, schloss Laurel triumphierend.
»Woher weißt du das alles?«, fragte Cynara misstrauisch.
»Aus Zeitungen«, meinte Laurel vage. Tatsächlich hatte sie nicht jeden Brief, den sie vom Anwalt erhielt, herumgezeigt. Wollte man sich in einem Haus voller Konkurrentinnen behaupten, bedurfte es mancher Raffinesse, wie sie schon früh in ihrem jungen Leben erkannt hatte.
»Ein Gentleman, der wie er längere Zeit keine gesellschaftlichen Kontakte pflegte, braucht eine weltgewandte, in diesen Belangen erfahrene Frau, die sein Haus so führt, wie es seinem neuen Rang zukommt«, ergänzte sie noch.
»Welches Haus?«, fragte Peony.
»Nun, dieses Haus und alle anderen Besitzungen.« Laurel zählte sie an den Fingern ab. »Es gibt sogar ein Haus in London, das er vermutlich einem Landsitz vorzieht. Deshalb schlage ich vor, dass wir uns sofort nach London begeben und ihn dort bei
Weitere Kostenlose Bücher