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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Parker
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Kälte für sie bald zur Qual. Heute schmerzten Hände und Füße, da windgepeitschter Regen und Schnee ohne Unterlass durch alle Spalten und Fugen der Kutsche eindrangen. Ihre Reisekleidung war fast so am Ende wie ihre Laune. Einzig ihr Lord Abbott gegebenes Versprechen hatte sie hierher geführt - ein Versprechen, von dem sie im letzten Jahr oft geglaubt hatte, sie würde es nicht halten können.
    Hätte ihr Mut zu dem Betrug ausgereicht, ihr Kind unter dem Dach von Lord Abbotts Familiensitz zur Welt zu bringen? Sie würde es nie wissen, da der Zufall wieder in ihr Leben eingegriffen und dessen Verlauf völlig verändert hatte.
    Ihr Schiff hatte im letzten Frühjahr den Hafen von Lissabon nur Tage vor der Eroberung durch Napoleons Armee erreicht, so dass sie die nächsten Monate als unfreiwillige Gäste der Franzosen dort verbringen mussten, bis Lord Wellingtons Truppen sie im Sommer befreiten. Da damals ihre Entbindung knapp bevorstand, wollte sie keine lange Seereise mehr riskieren, zumal Wellington persönlich dafür Sorge getragen hatte, dass Lord Abbotts sterbliche Überreste nach England überführt wurden.
    Mitte August gebar sie im Sternzeichen des Löwen ein Kind mit schwarzem Haar und Augen, hinter deren trübem Blau eine sonderbare goldene Tönung zu ahnen war. Sie hätte wissen können, dass der Hind Div ihr Leben noch mit einem allerletzten Zauber belegen würde: Das war ihr Sohn.
    So viel zu Aggies Ratschlägen, die freilich eine Komplikation unberücksichtigt gelassen hatten: ihr allerliebstes Söhnchen. Wäre es in England geboren und als Lord Abbotts Kind akzeptiert worden, hätte ihn dies auch zum Erben des Vermögens der Shrewsburys gemacht - ein Betrug, den sie auf Dauer nicht aufrechterhalten konnte. Das bedeutete wiederum, dass in England niemand von dem nach ihrem Vater benannten Jamie wissen durfte.
    Japonica biss sich auf die zitternden Lippen. Noch immer erschien es ihr rätselhaft, wie sie die Kraft besessen hatte, Jamie mit Aggie in Lissabon zurückzulassen; doch war ihr nichts anderes übrig geblieben, wenn sie nicht seine Gesundheit aufs Spiel setzen und den Fragen ausweichen wollte, die sein Auftauchen ausgelöst hätte. Die Welt würde ihren Sohn Bastard nennen, und diese Wahrheit war nicht dazu angetan, die Schande zu mindern. Ihr Sohn würde auf den gesetzlichen Schutz eines väterlichen Namens verzichten müssen. Würde sie eines Tages die Worte finden, um ihm die Umstände seiner Geburt zu enthüllen? Wie sollte sie einem Kind die doppeldeutige Natur eines Vaters erklären, den die Welt als Hind Div kannte? Nein, es war besser, wenn er nichts wusste.
    Liebe aus Betrug geboren, war dennoch Liebe. Die innige Liebe und Fürsorge, die sie beim ersten Anblick ihres neu geborenen Sohnes erfasste, blieb unverändert stark. Solange sie lebte, würde nichts und niemand ihm etwas antun.
    Aber zuerst musste sie ein Versprechen einlösen.
    Mochte sie eine skandalumwitterte und sündige Frau sein, so war sie doch ehrlich und vertrauenswürdig. Sie hatte Lord Abbott versprochen, sich um seine kleinen Mädchen zu kümmern. Und ehe sie nicht eine Möglichkeit gefunden hatte, dieses Versprechen in die Tat umzusetzen, war an ein eigenes Leben nicht zu denken - die Reise nach England deshalb unumgänglich.
    Japonica unterdrückte einen verzweifelten Seufzer. Es war doch richtig, was sie getan hatte, oder? Nein, sie durfte an das alles nicht mehr denken - an gar nichts, da sie nun kurz davor stand, ihre neue Familie kennen zu lernen.
    Plötzlich bog die Postkutsche von der Hauptstraße ab, und der Kutscher dröhnte: »Nächster Halt Croesus Hall!«
    Sie beugte sich vor und schob den Ledervorhang zur Seite. Einen vornehmen Landsitz hatte sie erwartet; doch die imponierenden Dimensionen des weitläufigen, stattlichen Herrenhauses, das sie durch eine Gruppe kahler Bäume erspähte, raubten ihr den Atem. Dreigeschossig, mit mehreren rauchenden Kaminen entlang des schneebedeckten Daches, bot Croesus Hall ein Muster an imposanter Architektur inmitten ausgedehnter Wälder. Ein silberner Flusslauf wand sich durch das Gelände und fand vor dem palastartigen Bau ein großartiges Finale, indem er in einen See mündete. Hätte der Viscount noch gelebt, wäre dies ihr künftiges Heim geworden.
    Dieser Gedanke überraschte sie von neuem, als die Postkutsche eine Kurve nahm und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf das Gebäude zuhielt. Da sie es gewöhnt war, den Haushalt ihres Vaters mit fünf Dienstboten zu

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