Arabische Nächte
bewältigen, und ein Haus dieser Größenordnung gewiss Heerscharen von Bediensteten erforderte, verspürte sie aufrichtige Erleichterung, dieser Bürde enthoben zu sein.
Als der Kutscher sein Gespann zügelte und die große schwarze Kutsche schwankend zum Stehen kam, beeilten sich die anderen Passagiere auszusteigen, um sich die Beine zu vertreten. Japonica wartete mit Absicht bis zuletzt, wobei sie bestrebt war, den Reisestaub ein wenig abzuschütteln, um einen besseren ersten Eindruck zu machen. Der Londoner Anwalt der Shrewsburys hatte ihr brieflich zugesagt, eine Kutsche würde sie bei ihrer Ankunft am Dock in Portsmouth erwarten. Doch ein Herbststurm vor der französischen Küste hatte ihr Schiff gezwungen, stattdessen das viel weiter westlich in Cornwall gelegene Falmouth anzulaufen, wo zu ihrer Enttäuschung um keinen Preis eine private Kutsche zu bekommen war.
»Die haben sich die Seeoffiziere geschnappt, die hier wegen des Wetters an Land gehen mussten«, hatte ihr der Mann an der Mietstation erklärt. »Heute gibt es nurmehr den Postwagen. Warten Sie ein paar Tage, dann kommt sicher eine private Kutsche zurück.«
Da sie nicht einen einzigen Tag länger als nötig von ihrem Sohn getrennt sein wollte, hatte sie die Strecke von zweihundert Meilen tatsächlich in der Postkutsche über sich ergehen lassen.
Die ausgestreckte Hand des jungen Offiziers ergreifend, stieg sie aus und zwang sich zu einer Munterkeit, die sie nicht empfand.
»Alles Gute, Miss.« Der Offizier drückte vertraulich ihren Ellbogen, ehe er wieder im Inneren verschwand.
Ohne diese beleidigend dreiste Geste zu beachten, griff sie nach ihrer Reisetasche und ging auf den älteren Mann in Dienerlivree zu, dessen längliches Gesicht ein unmissverständliches Stirnrunzeln zeigte. Sie lächelte ihm zu. »Guten Tag. Ich bin Japonica Fortn ...«
»Wer ist das, Bersham?«
Erschrocken schaute Japonica auf und erblickte die Besitzerin der gebieterischen Stimme am oberen Ende der Treppe - eine hoch gewachsene junge Frau, die ein Kleid in einem denkbar unvorteilhaften Lavendelton trug.
»Guten Morgen«, rief Japonica und setzte tapfer ihren Weg fort.
Als sie die erste Stufe erreichte, hatten sich vier weitere junge Mädchen dazugesellt. Zu aufwändig gekleidet, um Dienstboten zu sein, zeichneten sie sich dennoch dadurch aus, dass sie sehr ungepflegt wirkten. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie auf einen soeben handgreiflich gewordenen Streit getippt. Nicht eine Einzige war anständig frisiert, alle trugen beschmutzte und verdrückte Kleider. Sie hatten doch nicht etwa in der Hoffnung, auf die neue Hausfrau einen besseren Eindruck zu machen, die abgelegten Sachen der Herrschaft angezogen? Aber woher wussten sie, wann sie eintreffen würde?
Unsicher, wie sie sich vorstellen sollte, wählte sie die direkteste Methode. »Ich bin Japonica Abbott, Witwe des verstorbenen Lord Abbott.«
»Allmächtiger!«, rief die Rundliche. »Sie ist es!«
»Unsere neue Stiefmama?«, fragte die Jüngste.
Ohne ein Wort an sie zu richten, hob die größte der jungen Frauen den Blick und schaute an Japonica vorbei. »Sie, Kutscher, fahren weiter!«, befahl sie mit einer tiefen Altstimme. Die Kutschpferde verstanden offenbar, dass die Anordnung sie betraf, da sie sich sofort in Bewegung setzten.
Sie wartete, bis das Geholper der Kutsche leiser wurde, ehe sie ihren Blick endlich Japonica zuwandte. »Ich bin Hyacinthe Abbott, Lord Abbotts Älteste. Sie werden wohl hereinkommen müssen. Bis auf weiteres ...«
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5
»Offenbar handelt es sich um einen Irrtum.« Japonica starrte die fünf feindseligen Augenpaare, die im Morgenzimmer finster auf sie gerichtet waren, verständnislos an. In der Tasche zu ihren Füßen befanden sich Schleifchen und Süßigkeiten für die lieben Kleinen, die sie erwartet hatte. »Mir wurde gesagt, Lord Abbotts Töchter seien noch im Kindesalter.«
»Und uns wurde gesagt, eine Dame würde hier erscheinen.« Hyacinthe musterte das von der Reise mitgenommene Äußere der jungen Frau. »Vielleicht sind wir alle Opfer falscher Informationen.«
Japonica versuchte, sich diesen neuen Umständen anzupassen. Das Shrewsbury-Sträußchen setzte sich nicht aus Engelchen zusammen. Es waren junge Damen, und nach der Ältesten zu schließen, nicht einmal mehr Backfische. Ihre frostige Strenge weckte in Japonica das Gefühl, die andere wäre ein Dutzend Jahre älter als sie. Nun hieß es umdenken.
Sie lächelte so strahlend, wie
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