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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Parker
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beim Kartenspiel behielten sie den ihnen rangmäßig zustehenden Säbel mit seinem kunstvoll vergoldeten Säbelkorb umgeschnallt.
    »Eine wahre Schande, der Verlust der amerikanischen Kolonien«, fuhr Mr. Howe fort. »Diesen Fehler laste ich der Monarchie an.« Er beugte sich vor und raunte: »Ein seniler König auf einem wackeligen Thron!«
    Die indischen Offiziere warfen einander Blicke zu. Nur wenige Engländer wagten es, vom schlechten Gesundheitszustand des Königs zu sprechen. In Anbetracht ihrer Mission war dieses Thema tabu. Sie bildeten die englische Ehrengarde des persischen Gesandten Mirza Abul Hassan Shirazi, der genau vor einer Woche an Bord der Formidable in England eingetroffen war.
    Während die Karten für die nächste Partie ausgeteilt wurden, warf Howe ihrem fünften und bislang stummen Kameraden einen Blick zu. »Sinclair, wollen Sie sich zu der Sache nicht äußern?«
    Sinclair, der als Einziger Zivilkleidung trug, saß ein wenig abseits. Zwei senkrechte Furchen bildeten zwischen den schwarzen Brauen über seinem braungoldenen finsteren Blick eine tiefe Senke. Das Kerzenlicht flackerte über seine strengen Züge und hob die Stirnnarbe hervor - Hinweis auf ein unheilvolles Erlebnis, von dem er nie sprach. Nun ruhte sein beunruhigender Blick auf Howe, doch blieb er stumm.
    »Haben Sie denn nichts zu sagen?«, wiederholte Howe herausfordernd, da er Ängstlichkeit nicht ausstehen konnte und Sinclairs Blick ihm unbehaglicher war, als er zugeben mochte. »Oder gestehen Sie Unwissenheit auf diesem Gebiet ein?«
    Sinclair griff mit der Linken nach den Karten, die Winslow ausgeteilt hatte. »Stünde mir das Ohr des Duke of York oder des Duke of Portland oder gar des Monarchen offen, hätte ich die hohen Herren besser beraten.«
    »Kann ich mir denken«, spottete Frampton gutmütig. »Deshalb müssen wir in einem Schneesturm über Land reisen, um euch zu helfen, für einen radebrechenden Ungläubigen, der sich als Botschafter gebärdet, Kindermädchen zu spielen.«
    »Für einen, der sich wie ein Weib in Seide kleidet!«, ergänzte Howe ätzend. »Nur Sinclair scheint ihn zu verstehen, auch wenn er sich in Englisch versucht. Eigentlich kein Wunder bei jemandem, der selbst zum Eingeborenen wurde«, sagte er mit einem schrägen Blick in Sinclairs Richtung.
    Unbehagen glitt wie Wellengekräusel durch den Raum. Aller Augen ruhten nun auf Sinclair, der sich jedoch nicht anmerken ließ, ob er sich über diese spitze Bemerkung ärgerte.
    Bis vor einem halben Jahr galt Devlyn Sinclair bei seinen Kameraden als tot, in einem Gefecht mit den Afghanen 1807 im Gebirge gefallen. Alle glaubten an ein Wunder, als er im vergangenen Juli im Haus des Generalgouverneurs von Kalkutta wieder aufgetaucht war, allerdings halb tot und mit unverkennbaren Folterspuren behaftet.
    Zerlumpt, mit schweren, zu einer Blutvergiftung führenden Verwundungen, schwebte er einen Monat zwischen Leben und Tod, ehe sich Genesung abzeichnete. Als sein Verstand wieder funktionierte, konnte oder wollte er über die letzten zwei Jahre seines Lebens nicht sprechen.
    Mutmaßungen wurden angestellt, Gerüchte gediehen. So wurde behauptet, er sei Gefangener der Hindus gewesen, während von anderer Seite verlautete, er hätte sich nach der Flucht aus Afghanistan bei den Bergstämmen an der afghanisch-persischen Grenze versteckt. Verleumder wollten gar wissen, er hätte sich auf die Seite der Russen geschlagen. Der Gouverneur, ein praktisch veranlagter Mann, ersparte Sinclair eine offizielle Untersuchung. Er erklärte, Sinclair hätte zwei Jahre in der Gefangenschaft von Feinden Englands verbracht, und schickte ihn bei nächster Gelegenheit nach Hause, um ihn mit weiteren peinlichen Fragen zu verschonen.
    Sinclairs Freunde, die ihn unterwegs wieder trafen, stimmten aber überein, dass er nicht mehr der Mann von früher war. Auf See schrie er oft im Schlaf und redete in Sprachen, die keiner seiner Kameraden kannte. Und keiner hatte das Herz oder die Nerven, ihm Fragen zu stellen. Sein immer schon beängstigendes Temperament war nun vollends unberechenbar geworden.
    Howe lehnte sich zurück und stützte den zweiten gestiefelten Fuß auf den Messingschirm neben seinem Stuhl. In der Woche, seit sie in Portsmouth zur Gruppe des Mirza stießen, musste er geradezu neiderfüllt miterleben, dass Hemphill und Winslow sich einem Mann beugten, den er für halb verrückt hielt. Meist ging er Sinclair aus dem Weg; heute aber hatte er beschlossen, sich von ihm nicht

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