Arabische Nächte
London schicken. Eigentlich mehrere.«
Durch das Landleben zur Untätigkeit verdammt, hatte Laurel das Briefschreiben kultiviert und zu ihrer Stärke gemacht. Mit ihrem Talent für spitze Bosheiten unterhielt und entsetzte sie ihre Freundinnen aus der kurzen Schulzeit. In einer knappen Viertelstunde hatte sie ein Schreiben an den Anwalt der Shrewsburys und einen entfernten Verwandten im Oberhaus zu Papier gebracht. Außerdem erkundigte sie sich schriftlich bei der Gardekavallerie nach dem neuen Viscount. Sie wusste nicht genau, was sie durch ihre Anfragen zu erfahren hoffte - als besorgte jüngere Schwester, die vages Unbehagen über die zwei neuen Menschen in ihrem Leben empfand. Sie wolle sich vergewissern, dass es nichts gab, und sei es noch so geringfügig, das ihre Besorgnis rechtfertige. Schließlich lebten noch Halbwüchsige im Haus, und die zwei erwachsenen Mitbewohner waren weder verheiratet noch blutsverwandt.
Die fertigen Briefe versiegelte sie und wandte sich an Hyacinthe. »Läute nach einem Diener. Die Dinnerzeit ist längst vorbei, und wir haben keinen Bissen gegessen. Ich muss mich stärken.«
Bersham erschien auf der Bildfläche.
»Ach, lieber Bersham«, rief Laurel überschwänglich aus, da die Intrige ihre Lebensgeister gehoben und ihren Appetit gesteigert hatte. »Wir brauchen einen Imbiss. Nichts Schweres. Nur ein Häppchen Kapaun, etwas kalten Schinken mit Eiersoße und ein paar Stücke hausgemachten Kuchen!«
»Ihre Ladyschaft hat das Abendmenü festgesetzt«, sagte Bersham, der so unbehaglich aussah, wie er sich fühlte. »Ich werde ein Tablett zusammenstellen.«
»Was kümmert es mich, was dieses Frauenzimmer sich ausdenkt. Ich möchte, was ich sagte. Bringen Sie es!«
Die Züge des alten Butlers nahmen einen gequälten Ausdruck an. »Ich kann nicht gegen die Anweisungen der Dame des Hauses verstoßen ...«
Laurel wechselte einen Blick mit Hyacinthe, die angriffslustig auf den alten Mann zusteuerte. »Hören Sie gut zu, Sie unterwürfiger, alter Idiot! Sie wird nicht lange Herrin des Hauses sein! Und wenn sie weg ist, haben Sie es wieder mit mir zu tun. Verst ...?« Ihr Blick fiel auf das Tablett in seiner Hand. »Was haben Sie da?«
»Post für Lady Abbott«, antwortete Bersham.
»Geben Sie mir die Briefe«, rief Laurel und trat ihrer Schwester in der Eile auf die große Zehe. »Her damit, sage ich!« Als er ihr die Briefe nicht sofort aushändigte, schnappte Laurel sie sich einfach vom Tablett.
»Lady Abbott erwartet schon seit Wochen dringend Nachricht«, stieß Bersham keuchend hervor. »Deshalb brachte ich sie aus London mit.«
»Wir sorgen dafür, dass sie sie bekommt«, näselte Hyacinthe in einem Ton, der jedes weitere Argument erstickte. »Miss Laurel nimmt sie mit hinauf.«
Laurel studierte die fünf Schreiben in ihrer Hand mit einer Intensität, die weder ihre Schwester noch der Butler für müßige Neugierde halten konnten. Als sie merkte, dass sie beobachtet wurde, blickte sie auf. »Nun? Gehen Sie endlich!«
»Ich werde Ihrer Ladyschaft ausrichten, dass sie die Briefe sofort erhalten wird«, stellte Bersham in Aussicht, ehe er sich widerstrebend zurückzog.
Kaum war er draußen, als Hyacinthe zu ihr eilte. »Woher kommen sie?«
»Ich weiß nicht.« Laurel prüfte jeden einzeln. »Sie wurden an einem Militärposten in Lissabon frankiert.«
»Lissabon? Aber sie kommt doch aus Persien.«
»Das behauptet sie. Ich habe sie immer für eine Lügnerin und Betrügerin gehalten. Am ehesten werde ich die Wahrheit aufdecken, indem ich die Briefe öffne.«
»Das darfst du nicht!« Hyacinthe machte ein entsetztes Gesicht. »Sie wird es merken.«
»Glaubst du, das kümmert mich?« Laurel drehte sich mit boshaftem Lächeln zu ihrer älteren Schwester um. »Ich werde tun, was ich für richtig halte, um die Familie aus den Fängen einer Abenteurerin zu retten! Und du wirst mich nicht daran hindern. Denn wenn du es tust, werde ich es dir heimzahlen, das verspreche ich dir!«
Wie betäubt von dem ungerechtfertigten Angriff ihrer Schwester starrte Hyacinthe sie an. »Das wirst du nicht!«
»Aber sicher!« Laurel straffte die Schultern. Endlich hatte ihr das Schicksal einen wahren Intrigenleckerbissen beschert. Sie tippte mit den Briefen an die Lippen und murmelte: »Hoffentlich beeilt Bersham sich mit dem Imbiss. Ich bin schon halb verhungert.«
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15
Devlyn fand es unglaublich, dass er sich zur Kirche hatte schleppen lassen. Erstens war er nicht besonders
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