Arabische Nächte
fern von mir!« Voller Grimm, weil er den Rückzug antrat, wandte er sich um - nun, er sollte dringend ihrem Anblick, Geschmack und Duft entfliehen. Allmächtiger, wie sehr er sie begehrte! Das Blut schoss ihm wie flüssiges Feuer durch die Adern!
An der Tür hielt er inne und schleuderte ihr ein letztes Kommando hin. »Sie werden vergessen, was war!«
»Aber gewiss.« Von ihren Gefühlen überwältigt, wusste sie, dass sie sich wirklich von ihm fern halten musste. Sie bückte sich und hob den Karton auf, den er auf den Boden hatte fallen lassen. »Das gehört Ihnen.«
Er vollführte eine jähe Bewegung mit seinem heilen Arm.
»Sie werden es brauchen, wenn Sie mich morgen nach London begleiten.«
»Das werde ich gewiss nicht.«
»O doch!« Ohne einen weiteren Blick schlug er die Tür hinter sich zu.
Das Krachen hallte auf der Treppe wider, unter der Laurel und Hyacinthe sich verbargen. Sie hatten der Kälte und Dunkelheit im rückwärtigen Teil getrotzt, um vom Dienstboteneingang aus die Vorgänge in der Bibliothek zu belauschen.
Hyacinthe stieß Laurel an, die durch das Schlüsselloch spähte, durch das sie selbst gern geguckt hätte. »Was hast du gehört?«
Laurel richtete sich aus ihrer Bückstellung auf und flüsterte: »Er nimmt sie nach London mit!«
»Und wir werden hier zurückgelassen?«
»Sieht so aus.« Die Dunkelheit verbarg Laureis neidische Miene.
»Gottlob verschwindet sie!« Hyacinthe schniefte. »Mein Haar riecht noch immer nach Borax. Ihre Wässerchen jucken mich. Und wenn sie glaubt, wir essen grässliches Grünzeug ...! Was?«, entfuhr es ihr, denn Laurel hatte sie auf den Arm geschlagen, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Wir haben größere Sorgen als ungenießbares Essen!«
»Warum? Was wurde noch gesprochen?«
»Sie wird auf der ganzen Fahrt sein Ohr besitzen. Zeit genug, um ihn gegen uns einzunehmen. Reicht das nicht?« Und Laurel hatte mehr als genug gesehen. Sie glühte bis zu den Fußsohlen. Lord Sinclair hatte ihre Stiefmama geküsst! Es war für ihr Anstandsgefühl so schockierend, dass sie es nicht über sich brachte, davon zu sprechen. Doch das Bild brannte sich tief und bitter in ihr Bewusstsein ein. Ihre Eroberung des Viscount steckte noch im Stadium der Planung, während dieser weibliche Emporkömmling sie bereits ausgebootet hatte.
»Sich vorzustellen, dass dieses unscheinbare, sommersprossige Frauenzimmer ...« Laurel presste die Lippen zusammen, aber ihre Gedanken ließen sich nicht zügeln.
Sie und ihre Schwestern waren nach oben gelaufen und hatten die Päckchen geöffnet. Da keine Billetts beigelegt waren, öffnete Peony den Karton, der ein Seidenhemd mit Bogen-und Spitzenverzierung enthielt, und Alyssum jenen mit den rosa Seidenstrümpfen. Hyacinthe ergatterte Strumpfbänder mit Stickereien, Cynara eine Haarspange mit rosa Federn und sie selbst einen indischen Schal. Bis auf den Schal waren es Geschenke, wie sie ein Gentleman nur seiner Frau oder seiner Geliebten machte. Jetzt wusste sie, warum. Sie hatte gehört, wie Lord Sinclair sagte, die Sachen wären für Japonica bestimmt.
»Schlampe!«, zischte Laurel. Geschenke für Lord Sinclairs neue Hure!
Wie hatte das nur passieren können? Wann hatten sie Zeit dazu gehabt? Laurel zermarterte sich das Hirn nach einer Antwort und fand keine ... es sei denn, die beiden kannten einander von früher.
»Aber natürlich! Dieses ausländische Kauderwelsch, das sie sprachen, als sie sich umschlangen ... es muss wohl so sein, dass sie sich schon begegnet waren.«
»Sie hielten einander umschlungen?«, flüsterte Hyacinthe. »Was redest du da?«
»Nichts.« Laurel kniff den Mund zusammen. Seit sie denken konnte, verzehrte sie sich nach gesellschaftlicher Anerkennung und litt unter dem vagen und von Groll geprägten Gefühl, dass Kräfte, die sich ihrem Einfluss entzogen, ihr bislang ihre Rechte verweigerten. Dieser Groll fand Resonanz in der Szene, deren Augenzeugin sie eben geworden war. Nagender Zorn gegen ihre Stiefmama brodelte in ihrem jungen Busen. »Es muss möglich sein, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen!«
Ein leises schleifendes Geräusch, als schiebe sich Fell die Wand entlang, veranlasste Hyacinthe, den Arm ihrer Schwester zu erfassen. »Was war das?«
Laurel schubste sie ärgerlich von sich. »Vermutlich eine Ratte!«
»Eine Ratte!« Hyacinthes Stimme kletterte in vier Silben mehr als eine Oktave höher.
Laurel hielt ihrer Schwester d en Mund zu. »Komm mit! Wir müssen einen Brief nach
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