Arabische Nächte
feucht und heiß. Die sanften Bewegungen seiner Zunge, ehe sie kühn eindrang, ließen sie um Atem ringen. Ihr Verlangen war zu stark, als dass sie Widerstand hätte leisten können. Japonica legte die Arme um seinen Nacken und gab der Sehnsucht nach, sich mit seiner Kühnheit zu messen; Zug um Zug bot sie ihm ihre eigene Zunge, worauf er sie fester umschlang und sie ganz auf seinen Schoß zog.
Minutenlang küssten sie sich mit zunehmender Benommenheit, während ihr Schweigen nur von Seufzern und Stöhnen unterbrochen wurde. Seine Hände fanden ihre Brust durch den Umhang. Er streichelte sie sanft, als er sie an sich zog. Sie gab sich seiner Umarmung hin, von dem Wunsch erfüllt, ihre Gefühle, derer sie bis zu diesem Moment nie ganz sicher gewesen war, würden ewig andauern. Als seine Umarmung noch fester wurde, spürte sie das Verlangen in ihm und schmeckte die Wonne einer verbotenen und lange zurückliegenden Nacht.
Fast widerstrebend löste er sich und umfasste ihre Wange. In seinem von Leidenschaft verhangenen Blick lag die Frage, die sie nicht zu beantworten wagte - die Frage, die er ganz langsam in Worte kleidete. »Was ... bist... du ... für mich?«
Als sie den Kopf drehte, ließ der Schmerz sie zusammenzucken. »Wenn du dich nicht erinnerst, kann ich es dir nicht sagen.«
»Kannst du nicht oder willst du nicht?«
Sie schüttelte sich ein wenig, dass das leuchtend rote Lockengewirr sein Gesicht kitzelte.
»Dann muss ich die Wahrheit selbst herausfinden.«
Er drückte ihren Kopf unter sein Kinn und legte seine Wange auf ihr Haar. Sie roch blumig und schmeckte nach Paradies. Diesmal hatte sie nicht so getan, als wären sie Fremde. Es war wohl Vorrecht der Frau, sich in Herzensdingen geheimnisvoll zu geben. Plötzlich erkannte er, dass es eine Angelegenheit des Herzens war. Alles andere konnte warten, auch das unverhüllte Verlangen, das ihn verzehrte. In diesem Moment empfand er zum ersten Mal seit langer Zeit inneren Frieden.
Hewlett-Packard
16
»Wie eine Witwe sieht sie aber nicht aus!« Die Lorgnette aus Schildpatt wurde an ein Augenpaar gehoben, so hellgrau wie der Tag rund um das vornehme Haus in Mayfair.
Japonica konnte kaum still sitzen, während sie von der großen eleganten Dame, die in der Tür zum Speisezimmer der Shrewsburys erschienen war, wieder von Kopf bis Fuß gemustert wurde. Der altmodische Sehbehelf musste eine persönliche Vorliebe sein, da die Dame in jeder anderen Hinsicht modisch auf dem letzten Stand war. Zu ihrem langärmeligen Tageskleid aus seidigem, gestreiften Sarsenett trug sie eine grellrote Samtkappe, aufgeputzt mit Perlenreihen und Straußenfedern, die beim Sprechen wippten.
Als sie ihre Inspektion beendet hatte, klappte die Dame ihre Lorgnette zu, indem sie damit gegen ihre Handfläche schlug. »Devlyn, du musst uns bekannt machen.«
Devlyn, der sich bei ihrem Erscheinen erhoben hatte, zeigte angesichts der Tatsache, dass er beim Abendessen von einem ungebetenen Gast gestört wurde, bemerkenswerte Gelassenheit. »Tante Lacey, dir wurde ausgerichtet, dass wir nicht zu Hause wären.«
»Unsinn, Dev! Ich gehöre zur Familie. Und außerdem bin ich halb verhungert.« Die Dame segelte auf Devlyn zu und hielt ihm ihre apfelrunde Bac k e hin, auf die er pflichtbewusst einen Kuss drückte. Befriedigt wandte sie sich dem nächsten Stuhl am Tisch zu, während ein Diener sich beeilte, diesen für sie zurechtzurücken.
Sie beehrte Japonica mit einem süßen Lächeln, als sie sich setzte. »Machen Sie kein so besorgtes Gesicht, Kindchen. Devlyn ist für mich wie ein Sohn, da ich die letzten zwanzig Jahre bei ihm Mutterstelle vertrat. Ein schlimmer Junge! Er behauptet doch glatt, er könne sich nicht an mich erinnern.«
»Das ist keine Behauptung, Tante Lacey. Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass ich mein Gedächtnis verlor.«
»Papperlapapp! Dir muss doch irgendeine Einzelheit geblieben sein. Hast du mir nicht vor zwei Wochen geschrieben und mich gebeten, ich solle ja nicht nach London kommen? Was soll eine Mutter sich da anderes denken, als dass du sie verzweifelt brauchst?«
»Mutter oder Tante?«, flüsterte Japonica mit einem Blick zu Devlyn, da die Dame, die mit ihnen am Tisch saß, nicht viel älter aussah als er.
»Das kommt aufs Gleiche hinaus«, antwortete Devlyn grimmig.
Lady Simms schüttelte den Kopf, wobei nicht nur Perlen und Federn in Bewegung gerieten, sondern auch die schwarzen Locken, die ihr markantes Gesicht umrahmten. »Seine Launen sollten Sie
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