Arabische Nächte
nicht stören. Männer sind nun einmal schwierig. Sie stolpern und poltern daher und wollen sich auch nicht von denen, die sie lieben, helfen lassen.« Als sie Devlyn wieder anschaute, war ihr Blick hell und unverwandt wie jener einer Eule. »Ich bin seit zwei Tagen in der Stadt, und immer, wenn ich komme, sagt man mir, du wärest nicht da.«
»Das stimmte«, gab Devlyn knapp zurück.
»Ich bin besänftigt. Schön - jetzt bist du da und ich auch!« Sie griff zu der hastig aufgelegten Serviette und schüttelte sie aus. »Alles Übrige ist im Nu besprochen. Wurde die Suppe schon aufgetragen?«
Devlyn wandte sich mit einer Mischung aus Bestürzung und Überdruss an Japonica. Es waren Gefühle, die sie teilte. »Ich dachte, ich könnte Ihnen für heute weitere Prüfungen ersparen, leider ist das nicht der Fall. Verzeihen Sie die Unterbrechung unserer Mahlzeit und erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Tante, Lady Simms, vorstelle. Tante, das ist Japonica Abbott Dowager, Countess of Shrewsbury.«
Japonica stand auf und knickste. »Es ist mir ein Vergnügen, ein weiteres Mitglied der Familie Shrewsbury kennen zu lernen, Lady Simms!«
»Wir sind nicht verwandt.« Lady Simms sprach in der schroffen Art der beau monde, ganz Herablassung und Kritik; doch Japonica fand die Dame, die sich dabei unbekümmert ein Brötchen mit Butter bestrich, trotzdem nicht unsympathisch. »Ich hatte ja gehört, dass die indische Witwe jung ist, Devlyn, aber so jung ... einfach lächerlich. Wie gedenkst du, deinen Bekannten ein Schulmädchen plausibel zu machen?«
»Muss ich plausibel gemacht werden?«, fragte Japonica, wiewohl sie wusste, dass sie nicht angesprochen worden war.
Lady Simms warf ihrem Neffen einen viel sagenden Blick zu, als sie von ihrem Brötchen abbiss. »Nicht dass es mich einen Deut kümmert, was ihr beide treibt. Ich kann gut verstehen, dass du dich mit deiner maßgeschneiderten Geliebten einschließt. Heimzukehren und festzustellen, dass man Viscount wurde und samt dem Haus eine Witwe praktisch miterbte ... eine enorme Versuchung für einen Gentleman, der die Annehmlichkeiten zivilisierten Lebens zu lange entbehren musste! Aber sich seinem Glück hinzugeben, während ganz London sich vor Neugierde nach ihr verzehrt? Das gehört sich nicht. Man muss den Schein wahren, Devlyn! Äußerer Schein zählt viel.«
»Das verstehe ich nicht«, ergriff Japonica das Wort, obwohl sie glaubte, alles nur zu gut zu verstehen. »Ich gelte als Lord Sinclairs Geliebte?«
»Klatsch«, beschied Lady Simms ihr kurz. »Aber Devlyn führt sich auch auf wie ein Mann, der ganz im Banne einer Frau steht. Meine Liebe, wie man hört, kleidet er Sie sogar ein!« Sie legte die Stirn in Falten. »Ich hoffe sehr, er hat dieses Kleid nicht für Sie ausgesucht. Es ist viel zu matronenhaft. Aber das grüne Seidenkleid muss ein wahrer Traum sein ... zu Ihrem Teint und Haar. Pah! An Ihrer Stelle würde ich jeden sonnigen Nachmittag ohne Hut in einem offenen Landauer ausfahren!«
»Das reicht!« Devlyn hatte gesehen, wie Japonica erst erbleichte und dann errötete, während seine Tante hemmungslos weiterschwatzte. »Du fasst die Beziehung zwischen der Viscountess und mir völlig falsch auf!«
»Tue ich das?« Lady Simms' Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. »Wirklich? Nun, dann bitte ich um Verzeihung, obschon es an den Gerüchten nicht ein Jota ändert. Ganz London glaubt, dass euch glühende Leidenschaft verbindet, die durch eure Nähe unter einem Dach begünstigt wurde. Und dann sieht man dich Kleider für sie kaufen. Quel divertisse-menl! Natürlich muss ich es offiziell missbilligen. Ach, Schildkrötensuppe!«, rief sie entzückt aus, als ein Diener ihr die Schüssel präsentierte. »Mein Flehen wurde erhört!«
»Was für eine Mutter sind Sie eigentlich?«, fragte Japonica, ziemlich verzweifelt nach den zahlreichen Erschütterungen, die hinter ihr lagen. »Dass Sie diese gegen Ihren Sohn ... oder Neffen gerichteten Verleumdungen glauben mögen ...«
»Eigentlich sind wir Cousins«, warf Devlyn mit rätselhafter Miene ein.
Lady Simms' Nicken versetzte Perlen, Federn und Locken in Schwingungen. »Ich nahm Devlyn zu mir, als seine Eltern 1788 während der Epidemie starben. Er war acht und ich siebzehn, jung verheiratet mit der personifizierten Güte! Wir beschlossen, Dev als unseren Sohn aufzuziehen. Er war ein sehr aufgewecktes, wenn auch unberechenbares Kind, voller Launen und zur Verschlossenheit neigend. Ich vertrat Mutterstelle an
Weitere Kostenlose Bücher