ARALORN - Der Verrat (German Edition)
können. Ohne den geringsten Anflug von Neid schaute er zu, wie die anderen feierten: Es war schön, zu wissen, dass der Mann, der ihm ein besserer Vater gewesen war als sein eigener, so vielen Menschen etwas bedeutete.
Mit leisem Lächeln drehte er sich um und verließ den Saal, darauf achtend, dass es niemand bemerkte. Wenn Freya mitbekam, dass er gegangen war, würde sie ihm ganz gewiss folgen – und nicht verstehen, dass sie ihm die größte Freude damit bereitete, wenn sie sich amüsierte. Er liebte sie umso mehr, weil sie so unterschiedlich waren, und verspürte nicht das kleinste Verlangen, sie zu ändern.
Während er sich über die Bedienstetentreppe zu der Zimmerflucht hinaufbegab, die er mit seiner Gattin bewohnte, wurde das Lächeln in seinem Gesicht zufriedener. Er fühlte sich so beschwingt wie schon lange nicht mehr. Aralorns Entdeckung nahm ihm einen Großteil der auf seinen Schultern lastenden Verantwortung ab. Ihm hatte vor dem Gedanken gegraut, die Beisetzung selbst aufhalten zu müssen, trotz aller gegenteiligen Versicherungen, die ihm gemacht worden waren.
Er hatte ein schlechtes Gewissen wegen dem, was er dem Mann, den er wie einen Vater liebte, angetan hatte. Aber bald würde das alles vorbei sein. Auch dass Aralorn litt, hatte er nicht gewollt, und sie würde leiden, wenn sie begriff, dass sie der eigentliche Grund war für den Zustand ihres Vaters: Sie war zu klug, um den Zusammenhang nicht herzustellen. Aber zumindest war sie nicht in Gefahr, jedenfalls nicht im Moment.
Er glaubte wirklich, dass sie etwas Widernatürliches darstellte – vielleicht sogar Böses –, aber ein Teil von ihm hatte immer noch eine Schwäche für das lebensfrohe, reizende Mädchen, das ihn auf Lammfeste willkommen geheißen hatte. Um dieses Kindes willen hoffte er, dass dies alles bald vorbei sein würde. Er hatte ihr heute Abend Schmerz zugefügt. Es war nicht seine Absicht gewesen, doch er musste sich immer wieder daran erinnern, was sie war, damit er nicht vergaß, welche schrecklichen Dinge Magie anrichten konnte, ganz gleich wie gut die Person, die sie ausübte, auch war.
Mit einem erleichterten Aufseufzen betrat er sein Schlafzimmer. Eine seiner Katzen sprang von dem Stuhl, auf dem sie gelegen hatte, und strich ihm um die Beine.
Nevyn entledigte sich seiner Festkleidung und ließ sie dort, wo sie hinfiel, liegen. Die Katze miaute fordernd, und er nahm sie auf, bevor er sich auf das Bett legte, das er mit Freya teilte.
»Probleme, Nevyn?«, wisperte in dem Moment aus den Schatten der Fensternische eine Stimme in akzentfreiem Darranisch.
Erschrocken sprang Nevyn auf; er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass der Magier wie aus dem Nichts zu erscheinen schien. »Mein Gebieter«, begrüßte er ihn. »Ich habe nur nachgedacht. Es ist alles so eingetreten, wie Ihr gesagt habt. Aralorn hat den Zauber entdeckt. Allerdings hat sich auch Eure Befürchtung bewahrheitet, sie könnte der Falle möglicherweise entgehen.« Worüber er froh war, dachte er mit für ihn ungewöhnlicher Aufsässigkeit.
Der Zauberer trat aus der Nische hervor und in das Licht der einzelnen Kerze, die Nevyn brennen gelassen hatte. Er war größer als Nevyn und bewegte sich trotz der Magierrobe, die er trug, wie ein Krieger. Sein Haar war von der gleichen Farbe wie die schwarze Katze auf Nevyns Schoß. Seine Augen glänzten kobaltblau.
»Kein Grund zur Sorge«, sagte er; seine Stimme passte zu der Vollkommenheit seines Gesichts. »Das hat sie nur geschafft, weil er da war.«
Nevyn schüttelte den Kopf. »Ich hab niemanden in den Raum hineingehen sehen außer Aralorn, Irrenna und Correy.«
»Trotzdem«, erwiderte der andere Mann, »war es seine Magie, die den Bannhalter daran gehindert hat, sein Werk zu vollenden. Es ist kaum überraschend, dass du ihn nicht hast hineingehen sehen. Mein Sohn versteht sich auf mächtige Magie. Es gibt eine Tür in die Aufbahrungskammer – ein Schloss wäre für einen Magier seines Formats das geringste Problem.« Er machte eine Pause, dann schnippte er mit den Fingern. »Natürlich«, sagte er leise. »Dass ich daran nicht gedacht habe … Das Mädchen … Es heißt, Aralorn sei nicht selten mit einem großen schwarzen Wolf auf Reisen. War er dort?«
»Ja«, erwiderte Nevyn. »Aber was hat das damit zu tun, dass sie der Falle entronnen ist, hochehrwürdiger ae’Magi?«
Einen Moment lang sah der andere Mann Nevyn gedankenvoll an. Dann lächelte er. »Seit mein Sohn einen Anschlag auf mein
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