ARALORN - Der Verrat (German Edition)
den Kopf. »Vom Hof ist niemand reingekommen. Aber mir ist aufgefallen, dass diese Kammer Geräusche verfälschen kann – vielleicht liegt’s an der hohen Decke oder an der Enge des Raums.«
Wolf warf Aralorn, der Geschichtenerzählerin, einen amüsierten Blick zu. Sie tätschelte ihm den Kopf und kam mühsam wieder auf die Beine.
»Sieht aus, als hätte dein Plausch mit Henrick dir ganz gutgetan«, bemerkte Irrenna nach einem Moment. »Ich bin froh, dass du mit dir wieder einigermaßen im Reinen bist.«
Aralorn lächelte bei ihren Worten noch breiter. Die Dinge unverblümt beim Namen zu nennen war noch nie Irrennas Sache gewesen.
»Na ja« – Aralorn machte eine Pause, beinahe vor Aufregung platzend – »ich bin nicht sicher, ob ›im Reinen sein‹ es wirklich trifft. Ich würde eher sagen ›vergnügt‹, ›überschwänglich‹, ›frohlockend‹ vielleicht – obwohl das möglicherweise ein bisschen voreilig ist. Aber ich würde davon abraten, Vater schon morgen zu bestatten – könnte sein, dass ihm das ganz und gar nicht gefällt.«
Ihr Bruder versteifte sich, merklich ungehalten, doch bevor er etwas sagen konnte ergriff Irrenna, die Aralorn besser kannte, beschwichtigend seinen Arm.
»Was weißt du?« Irrennas Worte waren gedämpft, aber nichtsdestotrotz drängend.
Aralorn breitete weit ihre Arme aus. »Er ist nicht tot.«
»Was?«, stieß Correy geschockt hervor.
Irrenna machte einen Schritt nach vorn und schaute Aralorn aufmerksam ins Gesicht. »Was für eine Magie hast du gewirkt?«, fragte sie heiser.
Gleichzeitig schüttelte Correy wütend den Kopf. »Vater ist tot. Sein Fleisch ist kalt, und er hat keinen Puls. Ich hätte nicht gedacht, dass dein Humor zu Grausamkeit neigt.«
Jäh verschwand das Lächeln aus Aralorns Gesicht. »Aus deinen Worten spricht Nevyns Voreingenommenheit.«
Kopfschüttelnd trat Irrenna zwischen die beiden. »Mach dich nicht lächerlich, Correy. Wenn Aralorn sagt, dass er lebt, dann lebt er. Sie würde hierüber niemals irgendeine Geschichte erfinden.« Sie machte einen zitternden Atemzug und wandte sich wieder Aralorn zu. »Wenn er nicht tot ist, wieso liegt er dann so reglos da?«
Aralorn zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ich weiß nur, dass da Magie mit im Spiel ist. Hat Vater in letzter Zeit irgendwelche Zauberkundigen verärgert?«
Irrenna dachte einen Augenblick nach. »Nein«, sagte sie schließlich, »nicht dass ich wüsste.«
»Du willst uns erzählen, Vater ist verzaubert? Wer sollte so was getan haben? Etwa Nevyn?«, fragte Correy. »Ich erkenne den Tod, wenn ich ihn sehe, Aralorn. Vater ist tot.«
Aralorn schaute ihn an, konnte seinen Gesichtsausdruck aber nicht deuten. »Ich weiß nicht, was Nevyn dieser Tage so umtreibt. Aber der Mann, den ich einst kannte, hätte uns allen so etwas niemals angetan.«
»Du bist sicher, dass es ein Menschenmagier war?«, fragte Irrenna. Sie streckte den Arm aus und berührte die Hand des Löwen.
»Hattet ihr irgendwelche Schwierigkeiten mit den Gestaltwandlern?«, fragte Aralorn.
»Vater hat mit ihnen zusammengearbeitet, um die Viehbestände zu erweitern.« Seiner angespannten Haltung nach traute Correy der ganzen Sache immer noch nicht. »Aber letzten Monat hat irgendjemand den Hof eines Pächters an der nördlichen Landbesitzgrenze niedergebrannt – er liegt in dem Gebiet, wo sie ihre Experimente anstellen. Von dem Anwesen sind nur die Steinmauern übrig geblieben, nicht einmal die Balken der Scheune. Vater sagte, er glaubte nicht, dass es die Gestaltwandler waren, aber ich weiß, dass sie mit uns Menschen ursprünglich nichts zu tun haben wollten.«
Aralorn nickte. »Ich hatte nicht die Zeit, mir den Zauber, der den Löwen in seinem Bann hält, genauer anzusehen. Ich kann nachschauen, ob er das Werk eines Gestaltwandlers oder das eines Menschenmagiers war.«
Sie machte einen Schritt nach vorn, um genau das zu tun, doch Wolf stellte sich ihr in den Weg.
»Ich kann das überprüfen, ohne Magie einzusetzen«, sagte Aralorn gereizt. In ihrer Aufregung hatte sie vergessen, dass ihre Familie es wahrscheinlich ziemlich merkwürdig finden würde, wenn sie ihrem Wolf gegenüber Erklärungen abgab. Hoffentlich schrieben sie dies ihrer augenblicklichen seelischen Belastung zu. Sie musste sich den Löwen noch einmal ansehen. »Ich will nur gucken . Das Schattending ist vorhin nur rausgekommen, als Magie geformt wurde.«
»Was für ein Schattending?«, fragte Correy.
»Keine Ahnung«,
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