ARALORN - Der Verrat (German Edition)
gemacht haben.«
Kisrah glotzte sie an; sie konnte seine Enttäuschung fast schmecken. »Die Uriah haben Euch für ihn gefangen genommen. Ich musste Euch auf seine Burg teleportieren. Was hat er von Euch gewollt?«
Aralorn zuckte erneut mit den Achseln und wandelte ihre Geschichte umgehend ab. »Ein Missverständnis, fürchte ich. Er dachte, ich wüsste etwas über den Verbleib König Myrs. Ihr erinnert Euch, es war ungefähr zu der Zeit, als Myr, verzweifelt über den Tod seiner Eltern, einfach verschwunden ist, ohne irgendjemandem zu sagen, wohin. Wie sich herausstellte, hatte König Myr einen Heiler aufgesucht, der zurückgezogen in den Bergen nahe der königlichen Sommerresidenz lebt.« Ohne mit der Wimper zu zucken, führte sie die offizielle Geschichte ins Feld. Wenn allgemein bekannt wurde, dass Myr und der letzte ae’Magi Feinde gewesen waren … es könnte eine ganze Reihe der Anhänger Myrs, namentlich die, die immer noch unter dem Einfluss des früheren Erzmagiers standen, ein wenig irritieren. Vielleicht würde die Zeit dieses Problem lösen – vielleicht auch nicht. »Ich wusste tatsächlich, wo er war, aber ich hatte Order, es niemandem zu sagen – Ihr wisst ja, wie der Meisterspion ist. Der ae’Magi führte offenkundig nichts Böses gegen ihn im Schilde, aber Befehl ist Befehl. Schließlich hat der ae’Magi eingesehen, dass ich ihm nichts Näheres sagen konnte.«
Die Kunst des Geschichtenerzählens kam einem bisweilen zustatten, dachte Aralorn bei sich. Man nehme ein Körnchen Wahrheit und schmücke es mit irgendwelchem Blödsinn aus, und siehe da, schon war das Ergebnis glaubhafter als das, was wirklich passiert war. Nicht, dass sie tatsächlich angenommen hätte, dass Kisrah ihr auch nur irgendwie glaubte; sie wollte nur, dass er ein bisschen ins Schwimmen geriet und über das, was sich zugetragen hatte, keine endgültige Klarheit gewann.
Wolf fiepte leise, und das Geräusch hallte unheimlich von den Steinwänden wider. Vielleicht machte er sich Sorgen wegen der vielen Geschichten, die sie an diesem Abend zum Besten gab. Wahrscheinlich hatte er recht.
»Gehen wir, Lord Kisrah? Oder möchtet Ihr mich lieber dem Verhör unterziehen? Ich bin mir sicher, dass Vater hier noch irgendwo ein paar alte Daumenschrauben rumliegen hat.«
Der Erzmagier starrte sie an, als ob allein die Intensität seines Blickes ausreichen würde, einen Weg durch das Geschichtenlabyrinth, das sie gewoben hatte, zu finden. Der Ausdruck in seinem Gesicht war so weit von dem liebenswerten Mann entfernt, der sein Bild in der Öffentlichkeit prägte, wie Wolf von einem Schaf. Und auf einmal sah die rosafarbene Perücke exakt wie die lächerliche Maskierung aus, die sie war. Er wirkte unglaublich müde, dachte sie plötzlich – als hätte er in letzter Zeit mehr als nur ein paar schlaflose Nächte gehabt.
»Ganz ohne Frage«, entgegnete er steif, »würde Folter Euch nur noch eine andere Geschichte entlocken, ebenso plausibel und ebenso falsch.«
Aralorn lächelte ihn freundlich an; es fiel ihr nicht schwer – nur wenige Dinge bereiteten ihr größeres Vergnügen, als jemandes Versuch zu durchkreuzen, an Information zu kommen. »Ganz ohne Frage«, gab sie ihm liebenswürdig recht.
»Manchmal«, sagte er in einem Ton, der keinen Zweifel an seiner Aufrichtigkeit zuließ, »wünschte ich, es gäbe einen Wahrheitszauber, der tatsächlich funktionierte.« Er seufzte. Dann, vom einen Moment auf den anderen, war er wieder der harmlose Stutzer. »Nun denn, wenn Ihr bitte vorausgehen möchtet. Wollen wir uns den Zauber, der Euren Vater in seiner Gewalt hält, doch einmal ansehen.«
Die Wache hatte ihren Dienst wieder aufgenommen.
»Lord Kisrah ist hier, um einen Blick auf Vater zu werfen«, sagte Aralorn zu ihr.
»Natürlich, Lady Aralorn. Soll ich hierbleiben, oder wünscht Ihr mehr Privatsphäre.«
Aralorn sah den Erzmagier an, der daraufhin gleichmütig mit den Achseln zuckte.
»Bleibt«, sagte sie zu der Wache. »Es wäre mir lieber, wenn keine neugierigen Seelen hereinspaziert kämen, solange der ae’Magi hier ist.«
»Sehr wohl, Lady.« Die Wache lächelte.
»Die Schutzzauber sind andere«, stellte Lord Kisrah fest, der bereits die Vorhänge untersuchte.
Aralorn zuckte nun ihrerseits die Achseln und hob ihre Schutzzauber auf. »Es war ein Einmalamulett. Das hier waren meine.«
Kisrah schlug den Vorhang beiseite und trat in die Kammer. Ohne sie anzusehen, murmelte er etwas in sich hinein. Dann sagte er bestimmt:
Weitere Kostenlose Bücher