ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Erzmagier aus dem Wege zu gehen. Sie wollte nicht mit ihm sprechen, bevor sie nicht ein bisschen spioniert hatte.
Nachdem sie Wolf von ihrem Plan berichtet hatte, hatte er sich dankenswerterweise nicht auf eine Diskussion mit ihr eingelassen. Genauer gesagt hatte er sich auf die knappe Bemerkung »Leichtsinn und Torheit sind Nachbarn« beschränkt. Sie hatte ihn schmollend in ihrem Zimmer zurückgelassen. Erfahrungsgemäß waren Wölfe als ungebetene Besucher noch weniger willkommen als Mäuse. Wenn er auch andere Formen beherrschte, so war doch die Wolfsgestalt diejenige, die er am zuverlässigsten aufrechterhalten konnte. Wenn sie in Kisrahs Zimmer nichts entdeckte, dann konnte sich Wolf gerne vor ihrem Bruder Gerem verstecken, während er schlief. Aber nicht einmal Wolf konnte sich vor der weißen Magie des Erzmagiers verbergen.
Sie hatte ihm noch immer nicht die ganze Wahrheit über ihre Heirat gestanden. Dabei fürchtete sie nicht einmal seinen Zorn, sie fürchtete sich davor, ihn zu verletzen. Und doch musste sie es ihm bald sagen. Die ganze Angelegenheit würde mehr als sinnlos, wenn er getötet würde, bevor sie ihm mitgeteilt hatte, dass sein Tod auch ihr Ende bedeutete.
Ihr Versteck war nicht ideal. Zwar hatte sie einen unverstellten Blick aufs Bett, während sie selbst durch die Vase verdeckt wurde, aber es gab hier sonst keinen anderen Ort, um sich in Sicherheit zu bringen. Wenn Kisrah sie entdeckte, musste sie in den offenen Raum hineinflitzen.
Die Entfernung wäre kein Problem, wäre er kein Magier. Zauberer beherrschten recht eindrucksvolle Methoden, um mit Mäusen umzugehen. Methoden, bei denen ihr womöglich keine Zeit mehr blieb, auch nur über Flucht nachzudenken.
Aralorn malte sich gerade lebhaft aus, auf welche ungewöhnlichen und schmerzhaften Weisen sich ein Zauberer einer Maus entledigen konnte, als Kisrah den Raum betrat. Und natürlich, wenn sie selbst getötet wurde, würde auch Wolf sterben … Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Komik, wie sie fand. Sie verdrückte sich lautlos hinter die Vase und erlaubte nicht einmal ihren juckenden Schnurrhaaren das kleinste Zucken.
Kisrah brauchte beinahe länger, um zu Bett zu gehen, als er benötigte, um den ohnehin schon peinlich sauberen Raum aufzuräumen. Jetzt entfaltete er akribisch eine weitere Decke am Fußende, um danach im Kleiderschrank herumzuwühlen. Fast war es, so fand Aralorn, als zögere er das Zubettgehen mit allen Mitteln heraus. Fürchtete er sich womöglich vor bösen Träumen?
Ohne die Maske, die er in der Öffentlichkeit trug, wirkte er noch erschöpfter als zuvor. Im grellen Schein des Lichtzaubers, den er anstelle der Kerzen im Raum entzündet hatte, wirkte er beinahe zehn Jahre älter, als er war.
»Ach, was für ein Durcheinander«, bemerkte er müde, als er auf das tadellos gemachte Bett starrte. Aralorn vermutete, dass er sich nicht auf den Zustand des Zimmers bezog.
Er starrte noch einen Moment länger auf das Bett, dann fuhr er sich mit der Hand durch sein kunstvoll frisiertes Haar. Seufzend entledigte er sich seiner extravaganten Garderobe, bis er nur noch ein paar kurze Hosen aus purpurfarbener Baumwolle trug. Mit der Kleidung in der Hand trat er auf Aralorns Versteck zu. Der Kleiderschrank schwankte leicht, als Kisrah die Türen öffnete und seine Gewänder darin verstaute. In diesem Moment wünschte sich Aralorn, dass es Sommer wäre, weil dann wenigsten ein paar Blumen in der Vase gestanden hätten, die ihr noch mehr Sichtschutz geboten hätten. Es wäre auch schön gewesen, wenn der Kleiderschrank höher gewesen wäre, sodass sie sich nicht auf Augenhöhe mit dem Erzmagier wiederfand. So konnten sich ihre Vorderpfötchen erst wieder um ihre juckenden Barthaare kümmern, als Kisrah sich abwandte.
Kurz bevor Aralorn das Zimmer betreten hatte, war der Kamin entzündet worden, was die in alten Steingemäuern für gewöhnlich lauernde Winterkälte ein wenig vertrieben hatte. Kisrah zog sich einen Stuhl ans Feuer, nah an die lodernden Flammen.
Aralorn seufzte erleichtert und versuchte, nicht in seine Richtung zu starren. Einige Leute, darunter viele Magiebegabte, konnten es förmlich spüren, wenn Blicke allzu lange auf ihnen ruhten. So starrte er lange in das orangefarbene Licht der brennenden Kiefernholzscheite und drehte sich nicht einmal zu der Vase und der sich dahinter versteckenden Maus um.
Trotz ihrer prekären Lage machte die Wärme im Zimmer Aralorn sehr schläfrig. Endlich schlug Kisrah die
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