ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
wieder aufwachte, keine allzu große Mühe bereiten würde.
Gerade als sie die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, bog Aralorn um eine Ecke und kam in dem großen Saal an. Von hier aus war es ein Leichtes, den Weg zum Verlies zu finden, und je näher sie kam, desto stärker rief sie der Mir-nach-Zauber. Sie war so darauf konzentriert, ihm zu folgen, dass sie das Flüstern völlig überrumpelte.
»Aralorn«, wisperte der Uriah aus den Schatten der Treppe heraus, die hinunter ins Burgverlies führte.
Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen und wirbelte sodann zu Talor herum. »Was willst du?«
Er lachte, und für einen kurzen Moment klang er so unbekümmert, wie er es immer gewesen war. Dann sagte er mit einer misstönenden Stimme: »Du weißt, was ich bin. Was glaubst du, was ich will, Aralorn?« Er trat ein kleines Stück näher heran. »Ich hab Hunger, genau wie schon bald dein Gefährte. Geh, Aralorn, du kannst hier nichts mehr ausrichten.«
Aralorn wechselte Wolfs Stab von ihrer rechten Hand, die allmählich schwitzig und steif zu werden begann, in die linke. »Talor, wo ist dein Bruder? Ich hab ihn hier nirgends gesehen.«
»Er hat es nicht bis zum Uriah geschafft«, sagte er leise, dann lächelte er. »Glücklicher Kai.«
Aralorn nickte und wandte sich um, als wollte sie die Treppe hinuntergehen. Stattdessen jedoch setzte sie ihre Drehung fort und zog in der Bewegung ihr Schwert. Waffe des Schmieds oder nicht, die Klinge durchtrennte sauber den Hals des Uriah und enthauptete ihn. Leblos kippte der Körper auf den steinernen Boden.
»Schöne Träume, Talor«, sagte sie ernst. »Sollte ich Wolf in deinem Zustand antreffen, werde ich mich bemühen, für ihn das Gleiche zu tun.«
Dann begab sie sich, das Schwert in ihrer rechten Hand und den Stab in der linken, die Treppe hinab. In den unteren Ebenen war es dunkler. Aber das schwache Leuchten, das Wolfs Stab verströmte, reichte aus, um zu sehen, wohin sie ihre Füße setzte. Als sie die dritte Treppe betrat, fiel ihr auf, dass sie eigentlich gar keinen richtigen Plan hatte. Allein gegen den ae’Magi hatte sie nicht den Hauch einer Chance. Nicht nur, dass er ein besserer Zauberer war – um etliches besser, um genau zu sein –, falls er seinem Sohn und Schüler mit dem Schwert ebenbürtig war, war er Aralorn auch als Kämpfer weit überlegen.
Die Gerüche in dem Verlies hatten sich verstärkt, und der Gestank trug nicht eben dazu bei, dass sich ihr ohnehin schon strapazierte Magen beruhigte. Den Stab ließ sie in der Wachstube zurück, da sie nicht wusste, wie man die Kristalle vom Leuchten abhielt.
Sie steckte ihr Schwert in die Scheide und legte sich auf den Bauch, den Dreck auf dem kalten Steinboden ignorierend. An einer Seite des Zellengangs entlang schob sie sich langsam vor ins Verlies. Die Stimmen, die bis jetzt undeutlich an ihr Ohr gedrungen waren, waren nun klar zu verstehen. Sie hörte Wolf sprechen und verspürte sogleich eine grenzenlose Erleichterung.
»… warum sollte ich’s dir noch leichter machen? Komm schon, dieser Schild lässt sich ganz einfach durchbrechen, die meisten Magier im dritten Jahr bekämen das hin. Möchtest du, dass ich dir zeige, wie?« Wolfs Stimme war schwächer, als Aralorn sie jemals gehört hatte, aber sie klang so emotionslos wie eh und je. »Es hat allerdings den bedauerlichen Effekt, dass alles eingeäschert wird, was der Schild beschützt.«
»Ah, aber ich kenne eine andere Methode, deinen Schutz zu beseitigen.« Im Gegensatz zu der seines Sohnes war die Stimme des Erzmagiers sanft. »Wie man mich informiert hat, ist dieses Mädchen, das du so übereilt weggeschickt hast, ganz alleine wieder zurückgekommen. Sie sollte jeden Augenblick hier sein, wenn sie es nicht schon ist.«
Sofort presste sich Aralorn starr auf den Boden, bevor ihre Vernunft wieder die Oberhand gewann. Es spielte wirklich keine Rolle, ob der ae’Magi wusste, dass sie kam. Das Überraschungsmoment hätte ihr sowieso nicht viel genützt. Was allerdings durchaus eine Rolle spielte, war, dass es Wolf offenbar irgendwie gelungen war, sich den ae’Magi vom Hals zu halten. Und ganz gleich, wie viel er sich aus ihr machte: Wolf wusste, dass es wichtiger war, den Erzmagier nicht die Kontrolle über seine Kräfte erlangen zu lassen. Wolf würde sich, um Aralorns Haut zu retten, auf keinen Fall dem ae’Magi ergeben … hoffte sie zumindest.
Zentimeter um Zentimeter arbeitete sie sich weiter voran, bis sie im Licht des Stabs des Erzmagiers
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