ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
wie auf Katzenpfoten schlich sich Angst an sie heran.
Doch nicht einmal ihr Entsetzen im Verein mit den Schnittwunden, die er ihr am Arm zufügte, vermochte ihre Aufmerksamkeit lange zu halten. Der Schmerz von dem Rücklauf über Jahrhunderte hinweg angewendeter und eng mit dem Kerkergemäuer verflochtener Magie ließ das, was er mit ihrem Körper machte, nebensächlich erscheinen.
Sie fragte sich, ob sie ihm sagen sollte, dass das Ganze viel effektiver wäre, wenn er auch in der Folterkammer Eisenfesseln benutzen würde. Das Eisen in den Gefängniszellen verhinderte wirkungsvoll, dass ihre dürftigen Talente die verdrehte Magie auffingen, die tausend Jahre der Zauberkünste in den Steinen des Verlieses hinterlassen hatten.
Ein Eimer kaltes Wasser ergoss sich über sie. Zuerst fühlte es sich gut an auf ihrer heißen Haut, doch dann ließ die einsetzende Kälte sie unkontrolliert zittern. In einem klaren Moment lächelte sie; das Lungenfieber würde sie bald hinwegraffen – in ein paar Tagen –, vorausgesetzt sie konnte es vor ihm verbergen, damit er sie nicht in eins dieser toten Dinger verwandelte, die ruhelos in ihrer Zelle hingen. Sie war froh gewesen, sie nicht mehr ansehen zu müssen – wenn sie doch nur verhindern konnte, sie zu hören .
Er wandte keine Magie bei ihr an, so wie er es beim ersten Mal getan hatte, als sie auf der Burg gewesen war. Möglicherweise blockierte das Verlies auch seine Magie – oder er konzentrierte seine gesamten Zauberkräfte auf irgendetwas anderes.
Verblüfft blickte der ae’Magi auf die vor ihm hängende klägliche Gestalt. Er hatte gesehen, wie sie gelächelt hatte, als er sie schnitt, und das beunruhigte ihn. Sie gehörte nicht zu jenen, die bei Schmerz Vergnügen empfanden, vielmehr schien sie ihn nicht einmal zu spüren. Folter fruchtete bei ihr nicht.
Allerdings wirkte sie manchmal verwirrt. Vielleicht kam er mit List dort weiter, wo Schmerzen versagten.
»Schätzchen, Schätzchen, hör mir zu«, sagte der ae’Magi mit Myrs Stimme, so sanft, wie ein junger Bursche, der ein Mädchen umwarb.
Aralorn zuckte beim Klang der Stimme unwillkürlich zusammen.
»Schätzchen, ich weiß, dass du leidest. Ich bin gekommen, um dich zu befreien, aber du musst mir sagen, wo Cain ist. Wir brauchen ihn, um dich herauszubekommen.«
Sie runzelte die Stirn und erwiderte verwundert: »Cain?«
»Ja, wo ist Cain?«, fragte Myr erneut, und jetzt hörte sie einen Anflug von Erbostheit aus seiner Stimme heraus. »Wo ist Myrs Magier?«
Myr wäre niemals böse auf sie – auch wenn die Stimme so klang wie Myr, war er es nicht. Da war sie vollkommen sicher. Obwohl sie wissen sollte, wer Cain war, und es ärgerte sie, dass sie es nicht tat. Was jedoch nicht hieß, dass sie beabsichtigte, dies die Person, die Myrs Stimme gestohlen hatte, wissen zu lassen.
»Tot«, entgegnete sie also im Ton unumstößlicher Gewissheit. Irgendwo zollte ein Teil von ihr dem Hauch von Schwermut, den sie ihrer Stimme verlieh, Beifall. »Er ist tot.«
So etwas war ihm gar nicht in den Sinn gekommen; es war ihm einfach nicht in den Sinn gekommen. Aufgebracht schritt der ae’Magi in der Kammer auf und ab. Aber das war doch nicht möglich! Wütend streifte er die Handschuhe ab, die er angezogen hatte, um nur ja nicht mit ihrer schmutzigen Haut in Berührung zu kommen.
Es würde alles verderben, wenn sein Sohn nicht mehr lebte. All seine Anstrengungen wären umsonst gewesen. Er hob das Messer an ihre Kehle, überlegte es sich dann jedoch anders. Sie konnte immer noch nützliche Informationen für ihn haben; er würde sie nicht aus reiner Gehässigkeit töten.
Der Erzmagier drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Kammer. Als er durch die Wachstube kam, gab er Anweisung, die Gefangene wieder in ihre Zelle zurückzubringen, und stellte, einem spontanen Einfall folgend, dem Kerkermeister einen Silberling in Aussicht, falls es ihm gelänge, in Erfahrung zu bringen, wo die Aufständischen sich versteckten.
Die Kerker gehörten zu den ältesten Teilen der Burg des ae’Magi – und er war demzufolge alles andere als schön. Wolf musste von dem Gestank, der ihm entgegenschlug, würgen, als er sich durch den verborgenen Eingang hineinschlich. Magie hatte ihn zu der Burg gebracht, doch um sie zu betreten, musste er sich profanerer Methoden bedienen. Der ae’Magi hielt sich in der Burg auf, was ihn hoffen ließ, dass auch Aralorn hier war – aber dies hieß außerdem, dass er äußerst vorsichtig mit der
Weitere Kostenlose Bücher