ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
gewesen, sich zu zeigen, denn jetzt – nach all seiner Vorsicht – würde es klar auf der Hand liegen, dass seine Person mit Myrs Truppe in Zusammenhang stand. Der ae’Magi war schon seit langem auf der Suche nach ihm. Logischerweise würden sich dementsprechend die Angriffe auf Myrs Lager intensivieren. Es war zwar durchaus möglich, dass die Wachen den Zwischenfall gegenüber dem ae’Magi nicht erwähnten – aber es war immer ratsam, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Kurz: Er würde sich darauf einstellen müssen, dass seine Konfrontation mit dem Erzmagier schon bald stattfand.
Er sah dem bevorstehenden Kampf nicht mit Freude entgegen. Alte Geschichten von den Magierkriegen – Aralorn konnte sie stundenlang erzählen – sprachen von gewaltigen Gefechten mit reiner Energie, und die große Glaswüste, mehr als hundert Quadratmeilen aus geschwärztem Quarz, legten ein stummes Zeugnis ab von dem Preis solcher Gefechte. Falls er, mit seinen absonderlichen Mutationen von Magie, jemals in eine derartige Schlacht hineingezogen wurde, konnten die Folgen noch wesentlich verheerender sein.
Vielleicht war es besser, den Erzmagier einfach gewähren zu lassen. Selbst die hervorragendsten Magier lebten nur drei- bis vierhundert Jahre, und der ae’Magi befand sich bereits weit in seinem zweiten Jahrhundert. Wenn er weiterhin mit seinen Kräften so um sich warf wie bisher, würde ihn das – selbst eingerechnet der Energie, die er von anderen raubte – Jahre seines Lebens kosten. Waren hundert Jahre Tyrannei nicht immer noch besser als die Vernichtung der Welt?
Die Glaswüste war einmal fruchtbares Land gewesen.
Ohne irgendeinem erkennbaren Pfad zu folgen, marschierte er bis weit nach Sonnenuntergang – führte sie durch die Wildnis so gut er vermochte. Als sie das geheime Versteck erreichten, das er auf seinem Weg zur Burg angelegt hatte, machte er Halt. Der Ort lag abseits genug von den gängigen Reiserouten, dass sie hier für eine Weile sicher sein sollten. Dennoch durfte er für ihre Weiterreise auch weiterhin keine Magie einsetzen, die der ae’Magi möglicherweise aufzuspüren vermochte. Aber er war immerhin in der Lage, sie beide auf diese Distanz zu verbergen – er hatte ein paar Zauber entdeckt, die ihm, seit er sich in den Nordlanden versteckt hielt, in dieser Hinsicht gute Dienste geleistet hatten. Zauber, die es ihm erlaubt hatten, Aralorn überallhin zu begleiten, ohne befürchten zu müssen, dass ihn der ae’Magi entdeckte.
Umständlich, da er sie nicht auf dem harten Boden ablegen wollte, öffnete er seine Schlafrolle und bettete sie auf die weichen Decken. Seine Arme schmerzten vom Tragen und waren verkrampft, und er musste sie erst ein wenig dehnen und strecken, bevor er irgendetwas anderes tun konnte.
Ihre dunklere Haut verbarg die Fieberröte, aber sie fühlte sich heiß und trocken an, als er sie berührte. Ihr Atem ging keuchend, und er konnte hören, wie ihre Lungen rasselten. Er rollte die zweite Decke auseinander und stopfte sie ihr unter den Kopf, um ihr das Atmen zu erleichtern. Dann wusch er ihr mit magisch erwärmtem Wasser sanft das Gesicht.
Eigentlich hätten die Prellungen und Quetschungen auf der dunklen Haut schlechter auszumachen sein sollen, doch ihr Teint war durch die Krankheit grau und matt geworden und ließ die dunkleren Flecken sichtbar hervortreten. Einige Blessuren waren eindeutig alt, wahrscheinlich von ihrer ursprünglichen Flucht herrührend. Aber frische Blutergüsse überlagerten die alten.
Drei Rippen waren entweder gebrochen oder angebrochen, er verstand zu wenig von Heilkünsten, um es genau sagen zu können. Die Rippen sowie eine riesige Beule an ihrem Hinterkopf schienen ihre schlimmsten Verletzungen zu sein – beides wahrscheinlich eher Folgen ihrer vorangegangenen Flucht als irgendeiner Folter.
Man hatte ihr die Fingernägel herausgezogen, die geschwollenen Knöchel legten Zeugnis ab von der Brutalität der dabei angewandten Methode. Die Zehen ihres rechten Fußes waren gebrochen, der kleinste komplett abgerissen worden. Peitschenstriemen zogen sich von den Schultern bis hinab zu ihren Kniekehlen. Doch diese Verletzungen würden in wenigen Wochen heilen (mit Ausnahme natürlich des verlorenen Zehs). Mit einem fehlenden Zeh konnte eine Frau leben.
Er zog den Kräuterbeutel hervor, den er mitgenommen hatte. Er war zwar kein Heiler, doch er hatte genug aufgeschnappt, um ihre Wunden zu verbinden.
Nachdem er ihren Rücken gereinigt hatte, rieb er sie
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