Arams Sündenbabel
aber ich kann mir denken, dass es so gewesen ist. Bevor die Erholung eintritt, sieht und hört man schon Dinge, die in der Realität gar nicht vorhanden sind. So denke ich mir das.«
»Nein, nein, Sie sind auf dem falschen Dampfer. Ich habe mir die Dinge nicht eingebildet. Was ich hörte und sah, das gab es schon. Aber noch eins, Mr. de Fries.«
»Ja?«
Er war plötzlich viel aufgeregter. Seine Hände streckten sich, mal bildeten sie Fäuste, dann wurden sie wieder entspannt, und auch der Blick war unruhiger geworden. Der Mann hatte seine Sicherheit verloren. »Ich habe die beiden nicht nur gehört, sondern auch gesehen. Nicht als normale Menschen, sondern als Spukgestalten.« Ich kniff die Augen zusammen. »Geister – verstehen Sie?«
Jetzt legte ich eine Pause ein und wartete auf seine Reaktion. Aram die Fries schnappte tatsächlich nach Luft. »Wieso Geister?« Er lachte, und es klang unecht. »Glauben Sie denn an Geister? Welcher normale Mensch tut das schon?«
»Nein und ja, Mr. de Fries. Jetzt glaube ich daran, weil ich Rita Randall und ihren Partner in einer ziemlich eindeutigen Position gesehen habe.«
Er wischte über seine Stirn. »Das weiß ich nicht. Das kann ich nicht nachvollziehen. Geister, Himmel, das sagt man so schnell...«
»Ihnen sind sie noch nicht aufgefallen, Mr. de Fries?«
»Nein.«
Es klang für mich nicht überzeugend. Er wollte noch immer von mir weg und bewegte sich schon, als ich ihm meine Hand entgegenstreckte. »Bitte, ich bin noch nicht am Ende.«
»Was? Wieso?«, schnappte er. »Haben Sie noch weitere Geister zu Gesicht bekommen?«
»Mehr indirekt.«
»Unsinn...«
»Hören Sie zu, Mr. de Fries. Sagen Ihnen folgende Sätze etwas? »Die Sünde kehrt zurück in die Welt. Die Sünde ist überall die wahre Herrscherin.«
Aram sagte zunächst nichts. Er duckte sich leicht und wich sogar zurück. »Wer hat Ihnen das denn gesagt?«
»Kein Geist.«
»Also, da haben Sie’s.«
»Moment, Vorsicht. Sie haben mich nicht ausreden lassen. Diese beiden doch sehr ungewöhnlichen Sätze können von einem Geist stammen, Mr. de Fries. Ich habe sie nicht gehört, sondern gelesen. Und zwar an einer Zimmerwand. Und sie sind mit Blut oder blutroter Farbe dort geschrieben worden.«
Es war jetzt heraus, und de Fries hatte jedes Wort gehört. Ich wartete auf eine Reaktion, die jedoch nicht erfolgte. Er blieb starr stehen. In seinem Gesicht zuckte es, und er setzte auch zum Sprechen an, doch er brachte kein Wort heraus. Für mich stand fest, dass ich genau ins Schwarze getroffen hatte.
»Das kennen Sie, nicht?«
De Fries hob die Schultern.
»Kommen Sie. Geben Sie es zu. Das kennen Sie genau. Ich sage Ihnen da nichts Neues.«
Er hatte Zeit gebraucht, um sich zu fragen. Noch immer stand er mir wie eine dunkle Säule gegenüber. Ich spürte beinahe körperlich die Aura, die von ihm ausging und mir nicht eben wohlgesinnt war. »Sie... Sie... sollten jetzt gehen, Mr. Sinclair. Bitte, tun Sie sich den Gefallen und verlassen Sie mit Ihrer Begleiterin das Hotel. Es ist für Sie beide wirklich besser.«
»Nein, Mr. de Fries. Auch wenn Sie strikt anderer Meinung sind, das werde ich nicht tun.«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich Ihnen helfen möchte. Nicht mehr und nicht weniger. Ich will Ihnen helfen.«
»Wobei denn?«
»Damit Sie wieder in Ruhe leben können. Sie mögen es für übertrieben halten, Mr. de Fries, aber ich habe den Eindruck, dass Sie schwer unter dem Besitz dieses Hotels zu leiden haben. Sie haben da etwas übernommen, das Ihnen über den Kopf wächst und auch rational nicht zu erklären ist. In diesem Haus gibt es Kräfte und Mächte, die Ihnen über sind. Wenn jemand das Hotel verlassen sollte, dann bitte Sie als der Besitzer. Das Haus kann Ihnen nicht gut tun.«
Er schaute mich böse an, als hätte ich etwas Schlimmes gesagt. Schließlich hielt er meinem Blick nicht mehr stand und senkte den Kopf. Dann brach es aus ihm hervor. Ich musste schon genau hinhören, um ihn zu verstehen, denn die Worte überstürzten sich förmlich. »Überall ist es, in jedem Zimmer, in jedem Flur! Es gibt nichts, was Sie nicht übernommen haben! Sie zeichnen die Wände mit Blut an! Ich habe es selbst erlebt. Sie haben mich in meinen Träumen verfolgt und terrorisiert. Sie sind alle tot, aber es gibt sie trotzdem!« Wieder nickte er. »Ja, ja, das müssen Sie mir einfach glauben.«
»Das ist auch der Fall.«
Meine kurze Antwort brachte de Fries aus dem Konzept. Er starrte mich wieder an. Diesmal
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