Arams Sündenbabel
waren seine Augen rot unterlaufen. »Sie... Sie halten mich nicht für einen Spinner, Mr. Sinclair?«
»Nein, dafür halte ich Sie nicht.«
»Komisch.«
»Warum?«
»Wenn ich das jemand anderem erzählt hätte, meine Güte, ich wäre ausgelacht worden.«
»Das kann gut möglich sein. Ich lache Sie jedenfalls nicht aus. Was ich gesehen und erlebt habe, war keine Täuschung.«
»Sie haben keine Angst?«
Ich zuckte die Achseln.
Aram blickte sich um. Zitternd deutete er auf Wände, gegen den Fußboden und zeigte auch zur Decke hoch. »Überall sind sie. Tote, die irgendwie noch leben. Ich habe mich nicht damit arrangieren können, aber ich war auch nicht in der Lage, das Haus zu verlassen. Sie... sie haben mich festgehalten. Es war mir unmöglich, zu fliehen. Ich glaube, dass sie etwas von mir wollen. Ich bin wichtig für sie. Sehr wichtig sogar.«
»Haben sie Ihnen das auch irgendwie mitgeteilt?«
»Schon.«
»Und wie?«
»Das weiß ich nicht so genau. Aber sie hielten mich unter Kontrolle. Ich habe keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Ich bin ihr Gefangener, und sie treiben ein Spiel mit mir.«
»Haben Sie die Gestalten schon mit eigenen Augen gesehen? So wie es mir ergangen ist?«
»Nein, das nicht. Oder doch? Ja, einmal. Kurz bevor Sie kamen. Es war ein Schock für mich. Ich... ich... sah eine schreckliche Szene. Da wurde jemand getötet. Das war alles nicht echt, aber trotzdem so real. Begreifen Sie das?«
»Ich kann es mir vorstellen.«
Er lächelte mich an wie jemand, der kein Wort glaubt. »Vielleicht kommen Sie und Mrs. Helder ja weg. Mich lassen sie nicht. Ich hätte Ihnen die Zimmer gar nicht geben dürfen.«
»Ist es nicht auch möglich, dass wir gar nicht weg wollen?«, fragte ich und überraschte ihn damit.
»Bitte?« flüsterte er. »Sie... Sie wollen gar nicht weg von hier? Das kann ich nicht glauben. So lebensmüde ist doch niemand. Nein, erzählen Sie nichts.«
»Es war nicht unbedingt ein Zufall, der uns in dieses Hotel geführt hat. Man gab uns praktisch einen Tipp.«
»Ach. Wer ist das denn gewesen?«
»Die Vorbesitzerin.«
Hätte er ein Gebiss gehabt, es wäre ihm möglicherweise aus dem Mund gefallen, so erstaunt war er. »Das kann nicht sein«, flüsterte er, als er sich wieder erholt hatte. »Nein, das glaube ich einfach nicht. Das ist nicht drin. Unmöglich, Mr. Sinclair.«
»Warum?«
»Weil... weil... ja, weil Martina Mädel nicht mehr lebt. Das weiß ich. Sie ist gestorben, nachdem ich das Hotel hier von ihr erworben habe. Schon als wir uns kennenlernten, sprach sie davon, dass sie nicht mehr lange leben würde. Außerdem war sie keine Hotelbesitzerin in einem gewissen Sinn.«
»Sondern?«
De Fries deutete gegen die Wände. »Sie gehört dazu, Mr. Sinclair. Oder soll ich sagen, dass sie vom Fach war? Ja, Martina Mädel ist früher einmal Schauspielerin gewesen.« Er lächelte etwas verloren. »Ich glaube, dass sie alle hier gekannt hat. Sie gehörte dazu. Sie hat dieses Refugium für ihre Kolleginnen und Kollegen eingerichtet. Deshalb war das Hotel auch so beliebt. Sie kannte die Gesetze. Sie wusste, was getan werden musste und was nicht. Bei ihr fühlte man sich wohl. Viele aus der Branche sind überdreht. Und hier waren sie unter sich und konnten tun und lassen, was sie wollten.«
»Orgien feiern.«
»Ja, so muss es wohl gewesen sein.« Aram sprach jetzt leiser. »Damals hat es das auch gegeben, obwohl es stark tabuisiert gewesen ist. Aber wir müssen damit leben, meine ich. Heute brauchen Sie nur in die Glotze zu schauen, da wird das tagtäglich gezeigt. Aber damals ist es ein Novum gewesen.«
Die Erklärung reichte mir nicht, weil es da noch eine gefährliche Grauzone gab. »Okay, nichts gegen Orgien, so lange sie unter Erwachsenen stattfinden und niemand zu irgendeinem Tun gezwungen wird. Wie ich denke, ist es nicht nur bei den Orgien geblieben. Da muss auch noch etwas anderes mit im Spiel gewesen sein.
»Was denn?«
»Magie. Schwarze Magie. Teufelskult. Keine Moral mehr und auch kein Gewissen. Orgien verbunden mit grausamen Ritualen, die zu einem Satanskult gehören. Ich selbst habe die mit Blut geschriebene Worte gelesen. Die sind nicht von ungefähr erschienen. Da steckt einiges dahinter. Auch Sie haben schließlich die Zeichnungen gesehen und die Stimmen gehört. Sie sind gezwungen worden. Man hat Druck ausgeübt. Sie haben nicht die Spur einer Chance gehabt und haben noch immer keine. Das sind Dinge, die wir einfach nicht übersehen sollten. Alle
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