Arbeit - Leben - Glueck
eine eher unangenehme und niedere Tätigkeit ist, macht dieser speziellen Putzfrau ihre Arbeit Spaß. Sie kommt in eine verdreckte Wohnung, fängt an zu arbeiten, und nach einer Weile ist alles wieder schön sauber. Wie der Arbeiter Joe tut die Putzfrau ihre Arbeit vollkommen freiwillig: Auch dann, als sie nicht mehr muss, will sie damit weitermachen. Joe und die Putzfrau erfüllen gleich zwei Voraussetzungen für Spaß bei der Arbeit: Sie wollen, dass etwas Gestalt annimmt, und sie haben ihre untergeordnete Position in etwas Freiwilliges und Selbstständiges umgemünzt.
Die meisten Menschen sind weder Künstler noch haben sie einen kreativen Beruf oder versuchen sich als Kunsthandwerker. Sie sind irgendwo angestellt, gehen einer Arbeit nach, oft ist es jeden Tag die gleiche. Doch weil sie wollen, dass etwas Gestalt annimmt, kann ihnen die Arbeit sogar unter diesen Umständen Spaß machen. Das funktioniert im Privatleben genauso: Wir nehmen uns etwas vor und setzen es in die Tat um: den Rasen mähen, ein Haus bauen, Kinder großziehen. Eine Maschine reparieren, eine Wohnung putzen, eine Wand streichen. Wenn wir möchten, dass etwas Gestalt annimmt, macht es keinen Unterschied mehr, ob wir Werke schaffen oder einfach nur arbeiten. Wir wollen nur unsere Sache möglichst gut machen, irgendwann damit fertig werden und das Resultat sehen.
Es gibt also drei Voraussetzungen, von denen mindestens eine erfüllt sein muss, damit Arbeit Spaß macht, damit das Arbeitenwollen in den Vordergrund treten kann:
Kreativität und Selbstbestimmung stehen für viele Menschen an erster Stelle. Beides ergibt sich in freien Berufen, aber auch bei vielen Arbeitnehmern.
|83| Doch auch unkreative und untergeordnete Arbeit kann Spaß machen. Menschen arbeiten gern, weil sie sehen wollen, was sie gemacht haben, und weil sie wollen, dass etwas Gestalt annimmt.
Die nächsten beiden Abschnitte kehren zurück zum Verhältnis von Nutzen und Spaß. Ob ein Beruf nur der Karriere dient oder ob er größtmöglichen Spaß machen soll: Er ist fast nie nur das eine oder das andere.
Die brotlosen Künste
Der Begriff »brotlose Kunst« klingt verstaubt und erinnert an ein Bild von Carl Spitzweg. Es zeigt einen Mann, der in seinem Bett liegt und dichtet. Über ihm ist ein Regenschirm aufgespannt, das Dach hat Löcher. Es ist Winter und im Ofen liegt ein halb verbranntes Manuskript. Eine Schüssel, die auf dem Ofen steht, ist leer, der Dichter wirkt mager und ausgezehrt. Er arbeitet Tag und Nacht, aber es bringt ihm nichts ein. Er müsste sein Geld eigentlich anderweitig verdienen, um die schlimmste Not zu lindern: etwas zu essen kaufen, das Dach reparieren, Brennholz beschaffen. Aber er bleibt im Bett und dichtet. Lieber verhungert er, als seine Kunst aufzugeben und etwas anderes zu machen.
Bisher ging es in diesem Kapitel vor allem darum, das Arbeitenwollen mit dem Arbeitenmüssen zu versöhnen, also das Nützliche mit dem Schönen in Einklang zu bringen. Das Bild vom armen Poeten treibt jedoch alles wieder auseinander. Es stellt eine ganz andere Frage: Wie geht man damit um, wenn man an etwas arbeitet, womit sich beim besten Willen kein |84| Geld verdienen lässt? Niemand interessiert sich dafür und schließlich verbrennt man alles im Ofen. Schöne Aussichten!
Obwohl viele Schulabgänger das Bild vom armen Poeten genau vor Augen haben, schreiben sie sich doch zu Tausenden in Fächer wie Kunst, Kunstgeschichte, Germanistik, Theaterwissenschaften oder Musik ein. Sie wissen, dass auf dem Arbeitsmarkt seit langem ein Überangebot besteht, aber sie drängen in die kreativen und künstlerischen Berufe, weil sie glauben, dass dort all das auf sie wartet, was den Reiz des Arbeitens ausmacht, was ihnen Spaß macht, was ihnen sinnvoll erscheint.
Carl Spitzweg hatte gut lachen, denn er selbst führte ein sorgenfreies Leben, und mit dem armen Poeten verband ihn nicht das Geringste. Als Sohn eines reichen Kaufmanns hatte er genug geerbt, um den ganzen Tag spazieren gehen, Freunde treffen und Bilder malen zu können. Auf der anderen Seite gab es aber immer schon Künstler, die genau wie der arme Poet völlig mittellos waren und deshalb ein Doppelleben führten: Franz Kafka war nebenbei Buchhalter, Herman Melville war zuerst Matrose, dann Zollinspektor, Franz Schubert schlug sich zeitweise als Musiklehrer durch. Sie verdienten ihr Geld mit Nebenberufen, um ihrer Kunst überhaupt nachgehen zu können.
Kunst, also Bildhauerei, Fotografie, Malerei, und
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