Arbeit - Leben - Glueck
hätte. So gehören die Bilder des Malers William Turner zu den Wegbereitern der modernen Malerei, aber Turner verstand es schon zu Lebzeiten, an seiner Kunst zu verdienen. Als er starb, entsprach sein Vermögen dem, was heute ein vielfacher Millionär hinterlassen würde.
Trotzdem bleibt die Frage offen: Wie geht man mit dem Streben nach Macht und Reichtum um? Was soll man von sich halten, wenn man kein Interesse daran hat, Gedichte zu schreiben, Tische zusammenzubauen oder Maschinen zu reparieren? Wenn man immer nur an eines denkt: möglichst viel Geld anzuhäufen, also reich und damit auch mächtig zu sein? Steht man so nicht automatisch auf der falschen Seite? Gehört man jetzt nicht zu den Kapitalisten und Machthabern, |90| die nur an ihren persönlichen Vorteil denken und sonst nichts im Kopf haben?
Es ist relativ unwahrscheinlich, dass Menschen, die nur an Macht und Reichtum denken, aber nicht auch daran, was sie damit anfangen wollen, ein Buch wie dieses zur Hand nehmen. Nur jene, die etwas ganz Bestimmtes mit ihrem Geld vorhaben, werden nach Orientierung suchen. Welche Denkanstöße können sie brauchen?
Es ist falsch, das Streben nach Macht und Reichtum grundsätzlich als etwas zu betrachten, das den Menschen seelisch vergiftet. Das kann passieren, muss aber nicht.
Das Streben nach Macht und Reichtum gehört zur menschlichen Grundausstattung. Selbst die Naturvölker haben es im Programm. Je entlegener der Ort, an dem sie leben, desto mehr klammern sie sich an ihre Machtstrukturen, unterstützt von Ritualen, Verkleidungen und Symbolen. Der Häuptling ist reich und mächtig, aber er trägt auch die größte Verantwortung für das Gemeinwohl, er trifft die wichtigsten Entscheidungen. Wenn er versagt, leiden alle.
Macht und Reichtum setzen sich immer wieder durch. Die moralische Entrüstung darüber verbindet das Christentum mit der Französischen Revolution und diese mit dem Sozialismus und der Globalisierungskritik. Die Entrüstung über die »Macht des Geldes« hat vor allem eines bewirkt: dass nämlich – wie bei den Naturvölkern auch – weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass Macht und Reichtum ihre Inhaber zu etwas verpflichten. Die Arbeit an einer schönen und besseren Welt ist nicht nur die Aufgabe von Dichtern, Handwerkern und Arbeitern.
Wer reich und mächtig werden will, muss deshalb noch kein schlechter Mensch sein. Aber er hat – falls er sein Ziel erreicht – Gestaltungsspielräume jeder nur erdenklichen Art. Er muss sich also noch mehr als andere überlegen, |91| was er tun will und warum er es tun will. Ein schlechter Mensch wird er erst dann, wenn er seine Macht missbraucht und das Geld für bösartige Zwecke einsetzt.
Da es leider vorkommt, dass Reiche und Mächtige ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, haben wir uns angewöhnt, Macht und Reichtum auf die eine Seite zu stellen und die so genannten höheren Werte wie Mitmenschlichkeit, Inspiration, Hingabe oder Schaffensfreude auf die andere. Hier der schnöde Mammon, dort das Wahre, Gute und Schöne, dem alles Materielle fremd ist und dessen Existenz durch die Macht des Geldes stets bedroht ist.
Aber so einfach ist es nicht. Jeder weiß, dass es auch unter den Reichen solche und solche gibt. Nicht alle denken nur an die Vermehrung ihres Geldes, sondern fördern soziale Projekte und spenden Geld. Reiche Wohltäter und sozial engagierte Unternehmer hat es immer schon gegeben, aber sie stören das Bild vom bösen Kapitalismus: Wohltätigkeit, so heißt es, sei bei all dem Elend auf der Welt nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und die Reichen würden ja bloß spenden, um Steuern zu sparen und ihr Gewissen zu erleichtern. Entweder reich und schlecht oder arm und gut: Märchenbücher, Sozialisten und das Evangelium sind sich in diesem Punkt einig. Wenn ein Reicher etwas Gutes tut, mehrt selbst das noch seinen Nutzen, aber es ändert in den Augen seiner Gegner nichts an seiner grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit, die darin besteht, reich zu sein.
Dieses polarisierende Denken hilft nicht weiter. Es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze. Folgt man der öffentlichen Diskussion, sehen sich die Menschen im 21. Jahrhundert vor allem vor folgende Aufgaben gestellt: Bekämpfung von Hunger und Elend, Verwirklichung der Menschenrechte, Sicherung des Friedens, Schutz der Natur, Wahrung der Demokratie, Weiterentwicklung der Moderne, Trennung von Religion und Staat. Eines der früheren Ziele, nämlich die |92|
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