Arbeit - Leben - Glueck
gestört, und verzweifelt bemühen wir uns darum, so schnell wie möglich umzulernen. Wir genießen das Ungewohnte nicht, sondern es nervt, weil wir immer wieder nach der falschen Schublade greifen. Bis sich die Routine wieder eingestellt hat und wir alles richtig machen, vergeht eine gewisse Zeit. In dieser Zeit müssen wir uns mehr als |159| sonst anstrengen. Wir müssen uns plötzlich auf etwas konzentrieren, das uns vorher wie selbstverständlich gelungen ist.
In der Arbeitswelt erreichen Veränderungen ganz andere Größenordnungen als in dem Schubladenbeispiel. Sie gehen so weit, dass ganze Berufe plötzlich überflüssig werden, doch auch weniger dramatische Veränderungen sorgen für Aufregung. Eine neue Produktionsweise, ein neues Betriebssystem, eine neue Abteilung, ein neuer Zulieferer, ein neuer Chef: All das will erst verstanden sein, all das braucht Zeit, um integriert zu werden. Und sobald auch nur einer nicht mitkommt oder sich gegen eine Veränderung wehrt, leidet die ganze Zusammenarbeit darunter. Egal, ob sich eine Veränderung im Nachhinein als sinnvoll erweist oder nicht: Die Mitarbeiter stehen ihr skeptisch gegenüber, bis die Laufruhe wiederhergestellt ist. Ihre Skepsis hat viele Gründe:
Es ist für alle anstrengend, sich auf etwas Neues einzustellen. Veränderungen bedeuten Mehrarbeit, oft sogar richtig viel.
Ist das Neue wirklich besser? Ist die Veränderung gut durchdacht? Lohnt sich die Mühe überhaupt? Diese berechtigten Fragen tauchen ebenso gewiss auf wie die sentimentale Rückschau in die Vergangenheit: Früher war alles besser.
Das Neue kommt oft völlig unvermittelt und viele sehen die Sache so: Irgendein Besserwisser will sich damit auf Kosten der Mitarbeiter profilieren und drückt die Sache durch, ohne Rücksicht auf irgendwas.
Das Neue soll dazu dienen, die Firma konkurrenzfähig zu halten. Oft setzen sich dabei Ideen durch, bei denen es um kurzfristige Einsparungen geht, während die langfristige Entwicklung nicht beachtet wird.
|160| Routine und Veränderung sind auf die Kooperation aller angewiesen. Sie müssen mitmachen, aber es reicht nicht, dass jeder nur an seinem Part arbeitet. Nur, wenn er ihn
mit
den anderen beherrscht, kann man von einer guten Zusammenarbeit sprechen. Ein Schauspieler auf der Bühne kann seinen Text perfekt aufsagen – wenn sein Partner sich dauernd verhaspelt, ist das auch für ihn schlecht. »Das ist doch der, dessen Partner immer so schlimme Aussetzer hat. Wie das wohl kommt?«, fragen sich die Zuschauer, wenn sie den Perfekten sehen, und suchen nach Gründen für die Versprecher seines Partners auch bei ihm.
Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit der Mitarbeiter ist eine vollkommen eigenständige, nicht voraussehbare Leistung. Sie gelingt mal mehr und mal weniger gut. Sie ergibt sich nur mit der Zeit, aus der gemeinsamen Geschichte heraus. Nach welchen Regeln sie funktioniert, lässt sich nicht pauschal sagen, aber es gibt welche. Selbst in einer lockeren und teamorientierten Arbeitswelt ist nicht jeder für alles zuständig und läuft nicht alles durcheinander. Gute Zusammenarbeit heißt, dass alle wissen, was sie zu tun haben, und die Arbeitsabläufe so ineinander greifen, dass zum Schluss das gewünschte Ergebnis dabei herauskommt.
Was beeinflusst die Zusammenarbeit? Die folgenden Passagen und die nächsten beiden Abschnitte geben einige Antworten auf diese Frage.
In jeder Arbeitswelt gibt es Mitarbeiter, die »gut miteinander können«. Sie bilden informelle Netzwerke, auch über die Arbeitswelt hinaus. Sie sprechen sich ab, helfen sich gegenseitig |161| und sind oft befreundet. Auf die Zusammenarbeit hat das meist positive Auswirkungen. Wenn aber durch Kündigung oder sonstige Veränderungen gut eingespielte Mitarbeiter voneinander getrennt werden, haben eventuelle Nachfolger oft einen schweren Stand.
In vielen Wirtschaftsunternehmen beeinflusst der Betriebsrat die Zusammenarbeit maßgeblich. Ein Betriebsrat ist die Arbeitnehmervertretung vor Ort, fernab der Gewerkschaftszentrale. Er wird aus der Belegschaft gewählt, löst Probleme zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern, handelt Arbeitsbedingungen und spezielle Haustarife aus. Der Betriebsrat versucht, die Zusammenarbeit im gewerkschaftlichen Sinn zu beeinflussen. Er will, dass die Mitarbeiter möglichst langsam für möglichst viel Geld arbeiten. Das klingt absurd, ist aber in sich logisch. Es beruht darauf, dass die Arbeitgeber genau das Gegenteil wollen: dass die
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