Arcanum – Das Geheimnis
gemeinsamen Freundes wieder begegnet. Sie hatten sich gegenseitig ihre neuen Partner vorgestellt, viel getrunken und gelacht und schließlich zu viert eine Freundschaft fürs Leben geschlossen, die jedes Jahr in der Silvesternacht mit einem neuen Schwur für die Ewigkeit begossen wurde. Im vergangenen Jahr hatten sie deshalb darauf verzichtet, weil Svens Frau ihn kurz zuvor verlassen hatte, um mit einem anderen durchzubrennen.
Carolin hatte sich tagelang schlecht gefühlt. Sie fühlte sich irgendwie verantwortlich, weil sie ihm diesen Trennungsschmerz selbst einmal zugefügt hatte. Das war natürlich Blödsinn.
Dennoch hatte sie aufgrund eines schlechten Gewissens, das sie nicht näher erklären konnte, nicht mehr gewagt mit ihm Kontakt aufzunehmen, und so war die Beziehung eingeschlafen.
„Hallo Carolin“, sagte er verlegen.
Sie spürte in diesem Augenblick, dass auch er aus Scheu den Kontakt zu ihr gemieden hatte, ohne dass eine böse Absicht dahinter steckte.
Er war noch immer in sie verliebt, schoss es ihr durch den Kopf und vielleicht hatte er nur deshalb Julia geheiratet, weil er einen Schlussstrich unter das Kapitel ihrer Beziehung setzten wollte.
Das alles hörte sie aus den wenigen Worten heraus und wunderte sich gleichzeitig darüber, wie sie so arrogant sein konnte zu glauben, dass dieser nette Kerl, der viele Frauen hätte haben können, sich noch heute, Jahrzehnte später, nach ihr verzehren sollte.
Sie schüttelte den Kopf, dennoch spürte sie, dass in ihrer Eingebung ein Fünkchen Wahrheit steckte.
Sie war irritiert, und Sven hörte die Verletzlichkeit in ihrer Stimme.
„Ich freue mich, dass Du mich mal wieder anrufst. Es tut mir leid, dass wir uns so aus den Augen verloren haben seit…“, sie schluckte.
„…Seit mich Julia verlassen hat?“, beendete er den Satz für sie. „Ja, es tut mir auch leid, aber ich kam mir dann mit Dir und Christopher zusammen wie das fünfte Rad am Wagen vor.“
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:
„Wo steckt er denn. Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, wenn ich nicht Dich, sondern ihn sprechen wollte…, dienstlich“, ergänzte er noch.
„Was hat er denn ausgefressen?“, fragte Carolin beunruhigt. „Ach es ist reine Routine“, beschwichtigte Sven, „wir haben eine Notiz im Haus des Herrn Wallinger gefunden -Du hast sicher von diesem tragischen Unfall in Alzenberg gelesen- mit dem Datum des Todestages und der Praxisnummer Deines Mannes“.
„Er war tatsächlich an diesem Tag bei ihm und hat ihm diese verdammte, goldene Scheibe übergeben, mit der alles angefangen hat…“.
Weiter kam sie nicht, denn ein Schluchzen, das ihr die Kehle zuschnürte, schüttelte sie. In diesem Moment sehnte sie sich danach, Sven einfach um den Hals zu fallen und sich an seiner Brust auszuheulen. Nachdem sie sich wieder gefasst und lautstark geschnäuzt hatte, sagte Sven zärtlich:
„Weißt Du, ich könnte in fünf Minuten bei Dir sein, und Du erzählst mir die ganze Geschichte…, nicht dem Kommissar, sondern einem Freund“.
Sie willigte ein, und schon kurze Zeit später parkte Sven den Dienstwagen in einer Seitenstraße, um nicht gleich wilden Spekulationen der Nachbarn Tür und Tor zu öffnen. Er hoffte inständig, keine Anhaltspunkte zu finden, die Carolin und Christopher mit dem mysteriösen Tod der Wallingers in Verbindung brachten. Es ging um Mord, wenn auch die offizielle Version nach wie vor auf Unfall lautete.
Diese goldene Scheibe, die Carolin erwähnt hatte, machte ihn neugierig. Sie war ein Anhaltspunkt und brachte die Frau, die er in seiner Jugendzeit abgöttisch geliebt hatte, mit einem scheußlichen Verbrechen in Verbindung. Falls er etwas bei ihr und Christopher finden sollte, das weitere Ermittlungen nach sich zöge, dann wollte er ihnen als Freund beistehen, um sie weitestgehend aus der Sache heraus zu halten. Ihm war klar, dass er sich auf einem schmalen Grat bewegte und seinen Job riskierte, doch Carolin war die Liebe seines Lebens gewesen, und für sie würde er nicht zögern, auch seine Karriere aufs Spiel zu setzen.
Er läutete mit grimmiger Entschlossenheit. Carolin öffnete die Türe. Sie hatte sich noch nicht angezogen und sah in ihrem Morgenmantel so jung und attraktiv aus, dass Sven das Gefühl hatte, die vergangenen zwanzig Jahre seien spurlos an ihr vorübergegangen.
Ja, er liebte sie noch immer, doch sie war die Frau eines anderen geworden, und er respektierte ihre Entscheidung. Er sah verlegen zu Boden und errötete. Sie
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