Arcanum – Das Geheimnis
bekannt, und die Patienten tuschelten, als er sich setzte und eine Zeitschrift aufschlug, so als hätte er einen Zahnarzttermin wie alle anderen. Als eine Assistentin hereinkam und ihn fragend anblickte, flüsterte er, dass er Herrn Dr. Martinez in einer privaten Angelegenheit sprechen müsse. Sie machte auf dem Absatz kehrt. Kurze Zeit später kam Christopher herein und bat ihn in sein Büro. Sven setzte sich.
„Ich muss nur noch einen Patienten abschließen, dann hab ich Zeit für Dich. Worum geht es denn?“, fragte Christopher mit einem undurchdringlichen Lächeln.
„Das erkläre ich Dir nachher“. Christopher wandte sich zum Gehen und Sven fügte rasch hinzu. „Es geht um den Tod der Wallingers“.
Christopher blieb für einen Augenblick wie angewurzelt stehen, dann verließ er das Büro und schloss die Türe hinter sich. Wenn Hauptkommissar Sven Richter dienstlich zu ihm kam, um über den Tod der Wallingers zu sprechen, dann lies das für ihn nur einen Schluss zu:
Sie waren tatsächlich ermordet worden, und die Mörder liefen noch frei herum. Die Tragweite der Geschichte bekam eine bedrohliche Dimension. Herbert, er, Silvia und auch seine Familie waren in einen Mordfall verwickelt, und er war bereits in die Schusslinie der Mörder geraten. Hatte Sven Carolin schon befragt? Was konnte er ihm erzählen? Er schüttelte das spontane Bedürfnis ab, Sven alles zu beichten, doch das konnte er nicht. Er wollte auf keinen Fall hören, dass ab sofort die Polizei die Untersuchung der goldenen Scheibe übernehme, und er sich aus der Sache herauszuhalten habe. Er wusste, dass er sich strafbar machte, wenn er etwas verschwieg, dann traf er eine Entscheidung. Er würde Sven entweder auf ihre Seite ziehen und ihn davon überzeugen, dass sie nur gemeinsam das Rätsel lösen konnten oder ihn auf eine falsche Fährte locken.
In beiden Optionen steckte ein unkalkulierbares Risiko. Da er Sven gut kannte und wusste, wie schwer es war, ihm etwas vorzumachen, entschied er sich für die erste Option. Ihn einfach abzuwimmeln würde ihn misstrauisch machen. Er wäre wie eine Klette, und den geplanten Einbruch in Tübingen konnten sie dann vergessen.
„Ich erzähle Dir einfach, was wir herausgefunden haben“, begann Christopher, als er wenige Minuten später zurückkehrte und die Bürotüre hinter sich geschlossen hatte, „ob die seltsamen Ereignisse etwas mit dem Tod der Wallingers zu tun haben, musst Du entscheiden.“
Sven nickte und Christopher fuhr fort:
„Herr Wallinger übergab mir am Donnerstagabend ein archäologisch höchst interessantes Artefakt, das er in seinem Wald gefunden hatte.“
Christopher holte die Scheibe aus dem Tresor, erklärte die Ergebnisse der Analysen und die Untersuchung des Fundortes. Er verschwieg aber den Überfall auf ihn sowie natürlich den geplanten Einbruch in das Haus der Rosenbruderschaft. Als er geendet hatte, räusperte sich Sven.
„Meinst Du denn, es gibt eine Verbindung zwischen dieser Kalenderscheibe und dem Tod der Wallingers?“
„Wir haben über das Kreuz mit den Rosen zwei Geheimgesellschaften ausgemacht, die in Tübingen und auf dem Wimberg Niederlassungen haben. Aber Kreuz und Rose sind universelle Symbole, die so oft in verschiedensten Kulturkreisen und Zusammenhängen auftauchen, dass das reiner Zufall sein kann.“
„Und könnten diese Geheimgesellschaften den Wallingers nach dem Leben getrachtet haben? Diese Scheibe ist sicher wertvoll, doch Mord ...?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Christopher wahrheitsgemäß. Er verschwieg, dass man die Eheleute vielleicht deshalb überfallen hatte, weil es um die verschlüsselte Botschaft auf der Kalenderscheibe ging. Hatten die Wallingers verraten, dass sie es einem Zahnarzt aus Calw übergeben hatten? Scheiße. Daher der Überfall in der Tiefgarage. Wollten sie ihn nicht nur niederschlagen, sondern töten und vor allem: Würden sie es ein zweites Mal versuchen?
„Was überlegst Du?“, fragte Sven forschend. „Ich frage mich, ob die Wallingers nicht einem einfachen Raub zum Opfer gefallen sind“, log Christopher.
„Unwahrscheinlich. Es fehlt nichts. Jemand hat versucht, alles wie einen Unfall aussehen zu lassen. Das passt nicht ins Schema. Es gibt aber auch keinen Nutznießer oder Erben, der vom Unfalltod der beiden profitieren könnte“, erklärte Sven.
„Sven“, Christopher wandte sich nun sehr eindringlich an ihn, „ich werde mit Herbert die Geschichte der Scheibe rekonstruieren. Ich verspreche Dir,
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