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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
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die Augen, die von diesem Tag an und für immer die Farbe der Nacht behielten, und der Mensch, der in der Hülle des Adeodatus erwachte, war nicht mehr derjenige, den wir kannten und liebten. Wir verbargen das Arcanum so, dass es niemals mehr gefunden würde. Die Auferstehung des Adeodatus hat unseren Glauben erschüttert. Wir wollten die Menschen vor dem Grauen bewahren, das wir gesehen hatten. Adalbert versprach uns, die Kirche wieder aufzubauen. Sie soll die Gruft werden, in der das Arcanum verborgen bleibt bis zum Tag des Jüngsten Gerichtes, den wir nicht kennen. Wir brachten den Schlüssel zurück auf den Berg der Heiligen. Wir traten ihre Nachfolge an und wurden ein Teil der Linie, die niemals unterbrochen wurde, damit sie entbunden würde von ihrer Aufgabe und Frieden finden könnte. Wir wussten, dass wir den Geist aus der Hülle des Adeodatus austreiben sollten, doch wir konnten es nicht. Es wäre kein Mord gewesen, denn wie könnte man einem Toten das Leben nehmen? Wir verbargen ihn vor den Augen der Welt, so gut wir es vermochten, und beteten, dass wir noch lange genug leben würden, um die Bestie zu bewachen, die in ihm wohnte. Wir fürchteten uns vor ihm, und auf der Heimreise über die Alpen konnten ihm weder Kälte noch andere Strapazen etwas anhaben. Er schien von diesem Tag an nicht mehr zu altern, und er verfügte über Kräfte, die nicht menschlich waren. In einem Streit brach er einem Soldaten mit bloßen Händen den Hals. Die vielen Frevel, die wir begangen haben, lasten schwer auf uns. Wir wollten wenigstens einen kleinen Teil der Schuld abtragen und verbrachten viel Zeit mit ihm, denn insgeheim hatten wir die Hoffnung, das Wesen, das wie ein Kind ohne Glauben war, könnte zu unserem Herrn Jesus Christus finden. Nun da wir alt geworden sind, müssen wir die Last der Verantwortung weitergeben. Wir wissen, dass Adeodatus eine Unsterblichkeit erlangt hat, die unseren Glauben verhöhnt. Er ist zu stark geworden, und wir können ihm nichts anhaben. Seit unserer Gefangenschaft bei den Normannen, die Adeodatus vollkommen unbeschadet mit uns teilte, verzehrt uns ein Fieber, das immer wiederkehrt. Es beschert uns grauenvolle Visionen von einer untergehenden Welt, die in ein Licht getaucht ist, so rot wie das Blut in unseren Adern. Vor wenigen Tagen erschien ein gewaltiges Zeichen am Himmel, das uns an die letzte Aufgabe gemahnte, die wir vor unserm Tod vollenden müssen. Mit zitternden Händen schreiben wir die Geschichte nieder, die wir unserem Nachfolger und Freund Hildebrand übergeben werden.
    Christopher rieb sich die Augen, da ihn das Lesen anstrengte. Am zwölften April 1054 war tatsächlich ein astronomisches Ereignis eingetreten, das so ungewöhnlich und hell war, dass man es während des Tages am Himmel beobachten konnte. Im Sternbild Stier war eine Supernova explodiert, deren Überreste man später als Krebsnebel identifizieren sollte. Eine Woche später verstarb Leo als Folge der Gefangenschaft bei den Normannen, in der er sich wahrscheinlich eine Malaria zugezogen hatte. Mit seinem Freund Hildebrand meinte er sicher Hildebrand von Soana, der aber nicht sein direkter Nachfolger auf dem Papstthron wurde, sondern erst am 22. April 1073 per acclamationem und gegen den Willen des deutschen Königs die Tiara erhielt und als Gregor VII in die Geschichtsbücher einging. Nachdem er seine brennenden Augen einen Augenblick lang geschlossen hatte, las er weiter.
    Wir werden ihn bitten die Geheimnisse zu hüten, die Hirsau, den Berg der Heiligen und Adeodatus verbinden. Wir werden ihn ferner eindringlich bitten Adeodatus zu töten, da wir inzwischen wissen, dass er ein Geschöpf der Hölle ist. Wenn einem Wesen wie ihm der Schlüssel und das Arcanum am Ende des Zeitalters noch einmal in die Hände fallen sollten, dann wird sein Herr ihm eingeben, wie er sich seiner dunklen Macht bedienen kann zum Schaden der ganzen Menschheit. Dessen sind wir nun gewiss am Abend unseres erbärmlichen Lebens, an dem durch die Gnade Gottes noch einmal die untergehende Sonne unseren Lebensweg beleuchtet und uns zwingt über die Dinge nachzudenken, die in Hirsau vor langer Zeit geschehen sind. Wir überantworten uns dem Richterspruch des Allmächtigen. Möge der Antichrist in unserem Freund Hildebrand einen stärkeren Widersacher finden, als wir es waren.
    Christopher musste lächeln über die Ironie der Geschichte, die Gregor VII durch den Mund des großen Kirchenlehrers Petrus Damiani als den heiligen Satan kennenlernen

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