Arche Noah | Roman aus Ägypten
verkündete. Er werde nicht mit ihnen zurückreisen, sondern ein paar Tage länger in Assuan bleiben. Ihn interessiere brennend, was es mit dem Gang im Grabmal Sarenputs II. auf sich habe und ob er wirklich bis zum westlichen Nilufer bei Luxor führe. Er nehme sich ein Beispiel an Carter, dem Entdecker des Tutanchamun-Grabes, der auch als mittelloser Abenteurer angefangen und es später im Leben zu grossem Ruhm gebracht habe. Deborah war begeistert von Richards Plänen, Murtada dagegen glaubte, in eine Familie von Verrückten eingeheiratet zu haben. Als er sich die Hände waschen ging, gestand Richard seiner Schwesterden wahren Grund. Er habe sich bis über beide Ohren in Hassûna verliebt und könne ihn nicht einfach so verlassen. Er habe beim Verlag in London angerufen und mit dem Chef ausgemacht, dass er die Arbeit per Mail schickt. Sie solle ihrem Mann nichts davon sagen, denn Murtada würde das nicht verstehen.
H assûna und Fâtima trauten ihren Augen nicht. Vor ihnen stand in voller Lebensgrösse Nabri mit Frau und Kindern. Die kuwaitische Familie, bei der er arbeitete, war in die USA gereist, eine Gelegenheit, die sich Talaat Dhihni zunutze machte. Er finanzierte Nabri eine Reise nach Assuan mit dem Auftrag, sich nach einem geeigneten Grundstück für sein Projekt umzusehen. Er gab Nabri dafür eine Woche Zeit und versprach ihm als Lohn ein Prozent des Grundstückswertes.
Wer konnte da helfen? Land für ein Projekt von diesen Ausmassen zu kaufen erforderte ein Netzwerk, das grösser ist als das von Yahoo!. Fâtima hatte eine Idee: »Die Schwester meiner Kollegin arbeitet in der Landwirtschaft. Sie weiss bestimmt, wo Grundstücke zum Verkauf stehen.«
»Aber das wäre doch dann Ackerland. Was wir für das Projekt brauchen, ist Baugrund, und zwar direkt am Nilufer.«
»Sie weiss bestimmt etwas. Da bin ich mir sicher.«
»Halt den Mund, Fâtima.«
»Du musst zu Salîm Ramadân gehen«, riet Sabri. »Egal wie hoch er aufgestiegen sein mag, er ist und bleibt einer von uns. Er kann uns nicht verscheuchen wie Fliegen.«
S alîm Ramadân, Nubier aus dem Süden des Gouvernements Assuan, war das Idol seiner Landsleute. So wie jeder Fussballer davon träumt, wie Pelé, die Schwarze Perle, zu werden, träumte jeder Nubier von Salîm Ramadâns Glück. Allein die Tatsache, dass er leibhaftig unter ihnen weilte, bewies, dass Märchen wahr werden und jedem widerfahren können.
Salîm war Bootsführer und um die zwanzig, als sich bei einer Nilfahrt zu einem nubischen Dorf kurz vor Sonnenuntergang das Wunder ereignete. Er hatte eine deutsche Touristengruppe an Bord, darunter eine etwa fünfundvierzigjährige Frau, blond, bemerkenswert schlank, mit grosser Nase und einem spitzen Kinn. Besonders aber fielen ihre Augen auf, sie waren so riesig, dass sie fast schon bedrohlich wirkten. Die Frau verwickelte ihn auf Englisch in ein Gespräch. Während er nur radebrechte, schien sie Shakespeares Sprache tadellos zu beherrschen. Doch Salîm konnte einen Punkt erzielen, als sie sich spontan vorbeugte, um seinen Geruch einzuatmen. Am nächsten Tag machte sie eine weitere Nilfahrt mit ihm und erhielt seine Handynummer. Am selben Abend reiste sie mit ihrer Gruppe heim. Keine vierzehn Tage später tauchte sie wieder in Assuan auf, diesmal allein, und verbrachte zwei Wochen mit Salîm. Sie liess ihn von ihrer Reife und Lebenserfahrung kosten und er sie die Kraft der Jugend schmecken. Zurück in Deutschland, merkte sie, dass die Geschichte keineswegs zu Ende war. Beharrlich erschien ihr Salîm im Traum, bis sie schliesslich vier Monate später erneut nach Assuan flog und ihn heiratete. Sie nahm ihn mit nach Deutschland, wo Salîm das grösste Wunder aller Zeiten erlebte: Die schlanke Frau mit der grossen Nase besass so viel Geld, dass sie Venus, Jupiter und die Erde mitallem Drum und Dran hätte kaufen können. Fünf Jahre lang lebte er in unerträglichem Wohlstand, bis er den Wunsch verspürte, nach Assuan zurückzugehen und sich ein Boot anzuschaffen. Sie gab ihm ein wenig von ihrem Geld, mit dem er ganz Nubien hätte aufkaufen können, und mit den Jahren wurde er zum reichsten Mann in der Gegend.
» W ir wollen ihn ja nicht um Hilfe bitten, sondern nur fragen, ob er von einem Grundstück weiss.«
»Auch wenn er sich in den siebten Himmel hochgearbeitet hat, bleibt er Nubier.«
»Ich gehe morgen zu ihm.«
Tee wurde gereicht.
»Erzähl uns von Kuwait.«
»Ein schönes, ruhiges Leben, das Wohlstand verspricht.«
»Hier sind
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