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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Kanal arbeitete, warf ein: »In Assuan gibt es eine Rundfunkanstalt, da könnte man doch wenigstens einen nubischen Sender im Fernsehen und im Radio erwarten. Aber nein, die Regierung ignoriert uns nicht nur wie Ungeziefer, sie führt richtiggehend einen Krieg gegen uns, um uns jede Präsenz in den Kammern des Parlaments zu verwehren. Nasr al-Nûba mit vielen nubischen Einwohnern und Kûm Umbû mit überwiegend nichtnubischer Bevölkerung wurden zu einem Wahlkreis zusammengefasst. Warum wohl? Na, damit die Nubier ihren Sitz in der Volksversammlung und im Schûra-Rat verlieren!«
    »Warum redet ihr alle nur über die grosse Politik?«, bemängelte Nabri. »Lasst uns doch über die alltäglichen Missstände sprechen. Zum Beispiel wird die nubische Jugend nicht im mindesten sportlich gefördert. Wir Nubier haben eine so hervorragende körperliche Konstitution, dass wir es allemal mit den kenianischen Leichtathletikstars aufnehmen könnten. Hassûna zum Beispiel ist ein unschlagbarer Schwimmer. Wir sind die Kinder des Nils, wie die Krokodile kommen wir in seiner Strömung zur Welt. Aber nicht ein einziges Schwimmzentrum gibt es hier. Und wer könnte besser rudern als wir? Immerhin verbringen wir mehr Zeit auf Booten als in Häusern. Aber es gibt keinen einzigen professionellen Ruderklub. Zumindest könnten wir bei den Olympischen Spielen ein paar Goldmedaillen für Ägyptenholen, statt mutlos den Kopf hängen zu lassen. Da bleibt unserer Jugend doch nichts als die Revolution.«
    »Unsere Kultur ist eine der bedeutendsten und ältesten der Welt«, sagte Hassûna mit sanfter Stimme. »Sie ist der Ursprung der pharaonischen Kultur, ja, sie ging ihr voraus, ist also älter als sie. Und wie sieht die Realität heute aus? Man ignoriert dieses Volk einfach, das vier bis sechs Millionen Menschen zählt. Wir wissen selbst nicht einmal, wie viele wir sind, weil man sich weigert, die Zahlen offenzulegen. Vor dem Bau des Staudamms lebten wir in einem Gebiet, das sich 350 Kilometer nordwärts und 150 Kilometer südwärts erstreckte. Aber wie können sie uns hören, wenn wir verdrängt werden und ohnmächtig sind? Es gibt nur eine Lösung: Wir müssen ins Ausland gehen, Geld verdienen und gestärkt zurückkehren, damit sie uns in Kairo endlich hören!«
    F âtima traute ihren Ohren nicht, als Hassûna ihr von seinem Erlebnis mit dem Engländer erzählte, obwohl sie bereits viele ähnliche Geschichten gehört hatte. Ein Hamburger Universitätsprofessor hatte einen nubischen Bootsführer dermassen mit Geld überschüttet, dass der am Ende zwei Mikrobusse kaufen konnte. Ein niederländischer Arzt hatte sich in einen Kamelführer verliebt und ihm eine Einladung und ein Flugticket geschickt. Seither lebte dieser in Amsterdam. Dass so etwas aber ihrem Hassûna widerfahren würde, hätte sie nie für möglich gehalten. Sie schloss die Augen, und unwillkürlich rannen ihr die Tränen. Es war seltsam, aber sie zeigte sich weder ablehnend noch einverstanden. Nur Schmerz empfand sie, Schmerz über die finanzielleMisere, die aus einem Herrn einen Sklaven und aus einem König einen Bettler machen konnte.
    A uf dem Weg zur Verabredung mit Salîm Ramadân, der ihm nach einigem Zögern einen Termin nach dem Mittagsgebet gegeben hatte, traf Nabri im Café gegenüber den Schleuser Mabrûk al-Manûfi. Dieser war kurz nach Assuan gekommen, bevor er nach Talâ im Gouvernement al-Minufîja zurückkehrte, um eine Gruppe von dreiundzwanzig jungen Männern auf die Reise nach Spanien vorzubereiten.
    Nabri erkundigte sich bei ihm nach allen Einzelheiten, um Hassûna hinterher die Informationen wortgetreu wiedergeben zu können. Dann fragte er nach Italien, welche Wege dorthin derzeit sicher seien und was es kosten würde. Mabrûk gab ausführlich Auskunft. Als der Ruf zum Mittagsgebet ertönte, stand Nabri auf und verabschiedete sich mit den Worten, dass er die Sache mit Hassûna besprechen werde.
    Während er noch über dessen schwierige Lage nachdachte und darüber, wie man ihm aus dem Land helfen könnte, eilte Nabri über die Strasse zu Salîms Büro. Da blieb unvermittelt die Zeit stehen, ein Mikrobus raste in seinen schmächtigen Körper. Ein leiser Seufzer war das Letzte, was Nabri von sich gab.

Mabrûk al-Manûfi
    I ch stürzte hinaus zu Nabri. Der Fahrer kniete neben ihm und fühlte seinen Puls.
    Nabri war tot, seine zarte Seele entwichen. Offensichtlich überleben in diesem Land nur robuste Grobiane wie ich. Zweimal wäre ich beinahe hopsgegangen,

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