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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Diesmal ist es aber kein Krieg gegen Israel, sondern ein Krieg gegen den Hunger. Die Menschen ziehen ohne militärisches Training und ohne Waffen in die Schlacht. Es ist viel schlimmer als 1967. Manche kommen um, manche verschwinden, manche landen im Gefängnis in Libyen,in Malta oder anderswo in Europa. Fehlt nur noch, dass die Regierung ihnen Orden verleiht und sie zu Märtyrern erklärt, denen das Paradies sicher ist.
    M abrûk al-Manûfi ergänzte: Das Schlimme ist, dass in diesem Krieg die Generäle alle der Schmuggelmafia angehören. Das ist ein Riesengeschäft, an dem sowohl die armen als auch die reichen Länder beteiligt sind. Arme Länder gibt es massig, hundert, zweihundert vielleicht. Alle exportieren ihre Kinder, manche verkaufen sie auch, einige zerstückeln sie sogar und verscherbeln sie als Ersatzteile. Montagefabriken findet man überall auf der Welt. Wenn das so weitergeht, werden die Hungerrevolten in Befreiungskriege umschlagen. Ihr werdet sehen, in fünfzig Jahren werden wir drüben zahlenmässig so viele sein, dass wir den Spiess umdrehen. Für das, was sie uns in all den Jahren angetan haben, werden wir ein heilloses Gemetzel anrichten. Als die Fussballweltmeisterschaft in Südkorea mit der Partie Frankreich – Senegal eröffnet wurde, war ich zufällig in Paris. Der Senegal gewann das Spiel. Als ich anschliessend aus dem Haus ging, waren Massen von Menschen unterwegs. Araber und Afrikaner aus allen Ländern feierten den Senegal. Das ist bestimmt das afrikanische Viertel, dachte ich und lief weiter, doch mir bot sich überall das gleiche Bild, selbst auf den Champs-Elysées. Wahrscheinlich waren nicht einmal in Dakar so viele Menschen auf den Strassen. An jenem Tag sagte ich mir: Die Stunde ist nah.
    Besorgen Sie mir ein Visum für Frankreich oder Holland, verehrte Dame, und ich stehe Ihnen zu Diensten.

Sanâa Mahrân 43
    S anâa Mahrân war die einzige Person, der Mabrûk al-Manûfi in all den Jahren als Schleuser ohne Bezahlung ins Ausland verhalf. Geld spielte für ihn nämlich eine grosse Rolle, er hegte und pflegte es wie eine liebevolle Mutter ihr krankes Baby. Mabrûk al-Manûfi hielt sich für arm, er vertrat die These, dass ein Mensch nur das Geld besass, das er ausgab. Ihm erschien das völlig logisch, denn das Geld in der Tasche konnte leicht verlorengehen oder gestohlen werden. Da er selbst nur im äussersten Notfall Geld ausgab, war er folglich ein armer Mann. Nachdem die EgyptAir-Maschine mit Sanâa Mahrân an Bord gut in Dubai gelandet war, erkannte al-Manûfi, dass er geistig wohl nicht mehr ganz auf der Höhe war. Wie hatte er vor dieser Dame nur in die Knie gehen können, die er zwei Monate lang hatte bespringen dürfen? Für die paar Stösse vorn und hinten hinein hatte er ihre gesamten Reisekosten auf seine Kappe genommen? Doch dann vergegenwärtigte er sich genüsslich ihr Gesicht. Nein, sie war jeden Piaster wert, den er für sie hingelegt hatte. Sanâa war Sahne, sie war ein Topf voll schwarzem, nach Orangenhain duftendem Honig.
    Ihm war schon so manche Hure untergekommen, Sanâa aber war anders. Sie hatte etwas Jungfräuliches und beherrschte doch die hohe Kunst ihres Berufes. Bei jedem Zusammensein hatte sie ihm das Gefühl gegeben, der erste Mann in ihrem Leben zu sein. Mit unglaublicher Muskelkrafthatte sie ihn an ihren kleinen Körper gedrückt, ihn fast zerquetscht, so dass er sich vorstellte, sie verzehre sich so sehr nach ihm, weil ihr in ihrem tristen Dasein Sex noch nie vergönnt gewesen war.
    Irgendetwas war seltsam an ihr, das hatte er schon bei der ersten Begegnung bemerkt. An diesen Tag erinnerte er sich noch genau. Seine Frau hatte ihn aus dem Mittagsschlaf gerissen. »Lass mich gefälligst in Ruhe«, hatte er sie angebrüllt.
    »Eine Frau will dich sprechen«, hatte sie gesagt.
    Schlaftrunken war er ins Wohnzimmer gewankt. Eine Frau sass dort, von Kopf bis Fuss schwarz verhüllt, nur ihre weissen Augäpfel waren zu sehen.
    »Sie sind mir von lieben Menschen empfohlen worden«, hauchte sie schüchtern. Sie wollte in die Emirate. »Geld habe ich mehr als genug«, sagte sie und öffnete die Handtasche, um ihn mit einigen Scheinen zu ködern.
    Doch al-Manûfi lehnte einen Vorschuss ab. Zu dem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass er ihr bedingungslos verfallen würde.
    Sanâas Akte war reiner als mit hochwertiger deutscher Seife gespültes chinesisches Porzellan. Das einzige offizielle Dokument war ihre Geburtsurkunde, die ihr Vater hatte ausstellen lassen,

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